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Archiv-Artikel

From Zero to Hero – die erstaunliche Entwicklung des Kalle Ruch

Als ich Mitte der 90er in die taz kam, waren da Michaela Schießl, Mariam Lau, Anita Kugler, Beate Seel und noch mindestens zwanzig weitere furchterregende politische Strategen, die jeweils ganz genau wussten, was richtig und was falsch war.

Es war vieles falsch, völlig richtig. Aber am fälschesten, am allerfälschesten war, was der Geschäftsführer Kalle Ruch sagte. Wenn er redete, fiel mir das zwar nicht auf, aber es war die demokratische oder sogar sozialistische Mehrheitsmeinung, was sollte man machen? Wenn Kalle sagte: „Leute, die Erde ist keine Scheibe“, dann sagten alle: „Ach, der Kalle. Was weiß denn der?“

Wenn ich heute in die taz komme, raunen die Leute ehrfurchtsvoll: „Hast du schon gehört? Kalle will den Linksverkehr in Deutschland einführen.“ Oder: „Kalle denkt über eine raketengetriebene Onlineausgabe nach“.

Das hat er nicht gesagt, das haben sie irgendwo über drei Ecken aufgeschnappt. Aber es klingt immer, als habe Gott gesprochen. Ich bin überzeugt: Wenn Kalle heute sagen würde, Leute, die Erde ist doch eine Scheibe, dann würden wir umdenken.

Es ist mir ein absolutes Rätsel, wie er das hingekriegt hat.

Ich weiß nur: Während andere in den Sturmgewittern und Gewitterchen schnell müde wurden oder zynisch, hat er sich seinen Humor bewahrt und sogar noch Selbstironie entwickelt. Nach vielen Jahren wurde er sogar so unerschrocken, dass er den entscheidenden Schritt gehen konnte – hin zu einem wahren Unternehmensverantwortlichen, der innerhalb einer guten, aber komplizierten Unternehmenskultur aktiv die Zukunft der taz, ihrer Arbeitsplätze und damit auch die aller dahinterstehenden Menschen sichert.

Jedenfalls ist Kalle heute ein republikweit angesehener Medienmanager, ja geradezu ein solitärer Visionär. Das sagt sicher auch etwas über den Zustand der Branche aus, aber das muss ihn ja nicht stören.

Ich weiß nicht, ob er sich so entwickeln konnte, weil die Leute ihn irgendwann anders sahen, oder ob die Leute ihn anders sehen, weil er sich so entwickelt hat. Ich kann nur sagen, ich finde es eine echte Lebensleistung und habe davor großen Respekt.

Danke, Kalle

Peter Unfried

■ Peter Unfried war von 1999 bis 2009 stellv. Chefredakteur und ist heute Chefreporter der taz