WAS MACHT EIGENTLICH ... der Reliquienhändler?
: Neuerdings in WM-Schrott

Seit jeher suchen Menschen die Nähe zu vermeintlichen Materialisationen des Transzendenten. Das fängt bei den Zehennägeln des heiligen Ambrosius an und hört beim VW-Golf von Joseph Ratzinger nicht auf. Auch Irdisches wurde schon immer reliquienhaft verehrt – insbesondere in den Sphären des Sports, wo der Weg vom Menschen zum Übermenschen ja kein weiter ist. Stollenschuhe aus Bern oder durchgeschwitzte gelbe Trikots – sie umgibt für Fans die faszinierende Aura des globalen Ereignisses.

Schon im Vorfeld der Fußball-WM war absehbar, dass die Kommerzialisierung – und Banalisierung – der sportiven Reliquien unaufhaltbar voranschreitet. Der Quelle-Versand hatte sich rechtzeitig den Final-Rasen gesichert, um ihn jetzt, in Acryl gegossen und zum Preis von 75 Euro, übers Internet zu verscherbeln.

Gänzlich öde wird es aber, wenn am Samstag auf dem Olympiagelände „Original-WM-Inventar unter den Hammer kommt“. Mehr als 620 Objekte werden versteigert, darunter Fifa-Plakate und No-Smoking-Schilder. Ein kostspieligeres Stück ist auch im Angebot: Mindestens 1.500 Euro muss bieten, wer ein Sofa aus dem Klinsmann-Quartier ergattern will, auf dessen Oberfläche möglicherweise Wimpern von Lukas Podolski oder Kopfhautabrieb von Oliver Kahn erhalten sind.

Keine Frage: Mehr als eine WG fußballbegeisterter BWL-Studenten wünscht sich nichts sehnlicher als solcherlei Authentizitätsmobiliar. Der Erlös geht an die DFB-Kunst- und Kulturstiftung. Dass es so was überhaupt gibt. CLP FOTO: ARCHIV