piwik no script img

Archiv-Artikel

Baschar al-Assad hat sein Versteck verlassen

Der syrische Diktator versucht geschickt, die gegenwärtige Popularität der Hisbollah in der arabischen Welt auf sein Regime umzuleiten

BERLIN taz ■ Es ist in den vergangenen Jahren nicht eben häufig vorgekommen, dass Syrien sich zu den Siegern einer nahöstlichen Konfrontation zählen konnte. Eher war das Gegenteil der Fall. Der Rauswurf aus dem Libanon war eine schwere Bürde für das Regime in Damaskus – ebenso die Verdächtigungen, bei der Ermordung des früheren libanesischen Ministerpräsidenten Said Hariri die Hand im Spiel gehabt zu haben. Umso bereitwilliger hat Syriens Präsident Baschar al-Assad nun die Chance ergriffen, die sich ihm mit dem Ausgang des Krieges im Libanon bot.

Die Popularität, die die Hisbollah nach 33 Tagen des Kampfes gegen Israel in der arabischen Welt für sich reklamieren kann, münzt der Diktator in Damaskus gleichsam in eine Art Eigenlob um: „Denjenigen, die Syrien vorwerfen, es unterstütze die Hisbollah, sagen wir, dass das für uns eine große Ehre ist und ein Orden an der Brust jeden Arabers.“ Mit bösem Blick auf Jordanien, Saudi-Arabien und Ägypten verortete sich Syrien quasi als Mitstreiter an der „großen Niederlage für Israel und seine Verbündeten“, wie Assad sich ausdrückte.

In seiner Rede vor dem Journalistenverband machte Assad deutlich: Er erwarte von der derzeitigen US-Regierung weder eine Regelung des Nahostkonflikts noch Verhandlungen über eine Rückgabe der seit 1967 von Israel besetzten und 1981 annektierten Golanhöhen. Weshalb Assad auch einen Friedensprozess mit Israel ausschloss – was wohl ausschlaggebend für die Absage des Besuches von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier war.

Die „Widerstandsrhetorik“, die den Bundesaußenminister so enervierte, nutzte Assad vor allem, um innenpolitisch zu punkten, da die Mehrheit seiner Landsleute die staatliche Begeisterung für die „Gotteskrieger“ im Libanon teilt. Nicht überraschend kann andererseits, dass das syrische Regime eine dauerhafte Regelung in der Region für wenig aussichtsreich hält, solange es sich auf der US-Liste der „Schurkenstaaten“ wiederfindet. Assads martialische Rhetorik ist deshalb eher ein Hinweis darauf, dass das Regime sich derzeit wieder einmal so stark fühlt, dass es auch vor prahlerischem Gehabe nicht zurückschreckt.

Pragmatische Lösungsansätze sind deshalb aber nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Regierung handelt, wenn notwendig, auch der eigenen offiziellen Rhetorik zuwider. So hat Syrien die Grenzen für islamistische Kämpfer aus dem Irak dichtgemacht. Zugleich wurden Hinweise auf verdächtige Al-Qaida-Kämpfer an die US-Behörden weitergegeben – bei propagandistischem Dauerfeuer gegen die „imperialistische Hegemonialpolitik“ der USA in der Region. Vertrauen in diese Art von „syrischem Pragmatismus“ dürfte Steinmeier überhaupt erst zu einer Reise nach Damaskus bewogen haben. Der deutsche Außenminister konnte durchaus davon ausgehen, dass eine Anerkennung der regionalen Rolle des Baath-Regimes die Tür für Gespräche öffnen würde. Dass Assad für seine Philippika aber gleich eine Live-Übertragung auf CNN nutzte, musste Steinmeier als unerträglichen Affront auffassen.

Die „verpasste Chance“ einer Einbeziehung Syriens ist deshalb nicht allein Steinmeier anzulasten. Die libanesische Zeitung Daily Star kommentierte sarkastisch, der syrische Präsident sei – nach Ende der Kampfhandlungen – „aus seinem Versteck“ gekommen: Den rhetorischen Kampf beherrscht das Regime in Damaskus, bei der Diplomatie hapert es noch. GEORG BALTISSEN