: Washington ahnte es stets
Wichtige Teile der Regierung von George Bush sehen sich in ihrer Skepsis über die Syrien-Politik Deutschlands bestätigt
AUS GENF ANDREAS ZUMACH
Die Frage ist schwierig – und nicht nur in Berlin von Belang: Ist Außenminister Franz-Walter Steinmeier mit seiner auf „Vermittlung“ und „Dialogfähigkeit mit allen Seiten“ gerichteten Nahostpolitik „gescheitert“, wie viele Medien nach der Absage von Steinmeiers Damaskus-Reise kommentierten? Hat sich gar die „strategische Option“ einer Einbindung Syriens in eine Friedenslösung nach der Brandrede des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad „endgültig als Illusion erwiesen“? Oder hat sich lediglich Präsident Assad „für immer als Gesprächspartner disqualifiziert“?
Die Antwort auf alle drei Fragen lautet eindeutig „Nein“. Allerdings ist der bisherige Ansatz der deutschen Nahostpolitik noch zu begrenzt und auch zu widersprüchlich, um in Damaskus, Teheran oder anderen Hauptstädten des Nahen und Mittleren Ostens tatsächlich Veränderungen zu bewirken.
Zunächst einmal war Steinmeiers Analyse völlig richtig, wonach Syrien ein „wichtiger regionaler Partner“ sei, ohne dessen Kooperation es keine dauerhafte Stabilisierung des Libanons geben wird – und darüber hinaus auch keine tragfähige Lösung des zentralen israelisch-palästinensischen Konfliktes. Mit dieser Analyse – die ähnlich auch mit Blick auf Iran gilt – und mit seinen auf Basis dieser Analyse in den letzten Wochen geführten Gesprächen nicht nur in Damaskus, sondern auch in anderen arabischen Hauptstädten, setzte Steinmeier einen deutlich anderen Akzent als die Bush-Regierung. Aus Washington werden Syrien und Iran schon seit geraumer Zeit ausschließlich wahrgenommen und beschimpft als „Sponsoren, Finanziers und Waffenlieferanten von Hamas, Hisbollah und anderen terroristischen Organisationen“.
Seit Beginn des Krieges zwischen den Hisbollah-Milizen im Südlibanon und Israel Mitte Juli haben Präsident George Bush und andere Mitglieder seiner Regierung darüber hinaus die „Regime in Damaskus und Teheran“ mehrfach als „Drahtzieher“ dieses Krieges beschuldigt.
Nicht nur offizielle Gespräche mit diesen beiden „Regimes“ zur Lösung oder zumindest Deeskalation der Konflikte im Nahen Osten werden von der Bush-Administration bislang strikt abgelehnt. Auch über informelle Gesprächskanäle zu Damaskus und Teheran verfügt Washington derzeit –anders als zu Zeiten der Clinton-Administration – nicht.
Daher war man insbesondere im Washingtoner State Department einerseits dankbar, dass man in den letzten Wochen zumindest auf indirektem Weg über den deutschen Außenminister etwas über die Haltung der Regierung in Damaskus erfahren konnte. Zugleich wurden Steinmeiers nahöstliche Aktivitäten zumindest in Teilen der Bush-Administration mit einigem Misstrauen verfolgt.
In diesen Washingtoner Kreisen wird die Rede Assads von Montag als Beweis für das Scheitern der deutschen Nahostpolitik gesehen. Wäre der Bundesaußenminister trotz dieser Rede nach Damaskus gereist und hätte Assad getroffen, hätte dies wahrscheinlich zu einem offenen Konflikt zwischen Washington und Berlin geführt.
Aber auch nach dieser Rede gibt es auf der Suche nach einer Stabilisierung des Libanons und darüber hinaus einer tragfähigen Friedenslösung des israelisch-palästinensischen Konflikts keine strategische Alternative zu einer Einbindung sowohl Syriens wie auch des Irans. Und ob die Gesprächspartner in Damaskus und Teheran auch künftig Assad und Ahmadinedschad heißen, wird man sich in Berlin, Washington und anderen westlichen Hauptstädten nicht aussuchen können.
Erfolg werden alle nahöstlichen Vermittlungsbemühungen Deutschlands aber letzten Endes nur haben, wenn die Bundesregierung endlich eine andere Haltung einnimmt zum israelisch-palästinensischen Konflikt: Ohne die klare Forderung, dass Israel endlich die UNO-Resolutionen 242 und 338 umsetzt und sich auf die Grenzen von 1967 zurückzieht – was die syrische Kernforderung nach Rückgabe der von Israel besetzten Golan-Höhen erfüllen würde; und ohne zugleich ein klares „Ja“ zu einem überlebensfähigen Staat Palästina auf einem zusammenhängenden Staatsterritorium – ohne diese beiden Grundlagen werden alle guten Kontakte, Gespräche und Vermittlungsbemühungen des Bundesaußenministers oder anderer deutscher Politiker im Nahen Osten letztlich wenig bewirken.