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Archiv-Artikel

berliner szenen Familie aus Übersee

Zwei Wochen Video

Eine Asiatin hatte auf dem Sofa im Zimmer des Freundes gesessen. Gelangweilt hatte sie kurz zu mir hingeblickt, mir bedeutet, dass B., der in der Küche hantierte, gleich käme, und sich wieder dem Fernseher zugewandt. Weiter hinten auf dem Sofa saß ihre Tochter und schnitt sich die Fußnägel. Beide waren in Wolldecken gehüllt und rauchten, während sie in den Fernseher guckten, in dem die einen die anderen verfolgten und viel explodierte. Manchmal hustete die Ältere, manchmal wurde gelacht, wenn den Helden spektakuläre Dinge auf ihrer Flucht gelangen. Erleichtert lachte ich auch, doch niemand sagte etwas.

Der zweitklassige, wohl amerikanische Actionfilm lief in Originalfassung. Jemand hatte eine Maschine entwickelt, mit der man in die Zukunft schauen kann. Daran entzündeten sich Weltkonflikte. Vor dem Fernseher lagen weitere DVDs. Ich versuchte das Geschehen zu ordnen, fühlte mich aber, als wäre ich nicht da, und als ich mich erhob, um B. zu begrüßen, entdeckte ich einen Dritten, einen jungen Asiaten mit schmalem Oberlippenbart, der zwischen den beiden Frauen auf dem Sofa lag. Dies war also seine Familie, von der ich zuvor nur von weitem gehört hatte.

Als B. kam, sprach ich zuerst Englisch, dann aber Deutsch, weil auch er nur Deutsch sprach, als wären die anderen nicht da. B. erzählte vom besonders guten Fleisch, das er beim türkischen Metzger gekauft hatte, und dass seine Familie schon seit zwei Wochen da wäre. Sie hätten in dieser Zeit nichts anderes gemacht, als Videos zu gucken. Es gab auch eine Playstation, die er für sie ausgeliehen hatte. Wie gut, dass das Wetter so schlecht wäre, da bräuchte er sie nicht in den Zoo auszuführen. Und in einer Stunde würden die Rouladen fertig sein. DETLEF KUHLBRODT