„Der Senat hat geschlafen“

Wenn es um die Müllverwertung geht, schweigen sich Politik und BSR aus, sagt BUND-Geschäftsführer Andreas Jarfe. Zudem habe der Senat die Ausschreibung des Mülls zu spät angeschoben – und kontrolliere beteiligte Firmen nur lasch

taz: Herr Jarfe, Müllfirmen geben kaum Zahlen heraus, Abgeordnete klagen, der Senat schweige sich aus. Warum ist das Geschäft mit dem Berliner Müll so undurchsichtig?

Andreas Jarfe: Mir fällt auch seit Jahren auf, dass alle Beteiligten blocken – egal ob Senat, Stadtreinigungsbetriebe (BSR) als landeseigenes Unternehmen oder Privatfirmen. Es ist sehr schwer, sich einen Überblick zu verschaffen.

Müsste der Senat nicht an Transparenz interessiert sein?

Eigentlich schon. Aber die Regierung beruft sich regelmäßig darauf, Informationen aus privatwirtschaftlichen Verträgen nicht öffentlich machen zu können. Häufig nimmt der Senat auch seine Möglichkeiten zur Kontrolle nicht wahr. Er ist Eigentümer der BSR. Trotzdem durfte das Unternehmen die Ausschreibung des Berliner Mülls, die jetzt für Aufregung sorgt, fast in Eigenregie organisieren – obwohl es natürlich eigene Interessen hat.

Ein wichtiger Grund für die Müllverschiebung nach Brandenburg ist, dass Berliner Verwertungsanlagen nicht rechtzeitig fertig wurden. Wer hat da Fehler gemacht?

Der Senat hätte die Ausschreibung viel früher anschieben müssen. So hätten Investoren eine bessere Planungssicherheit gehabt. Er hat nicht daran geglaubt, dass die Abfallentsorgungsrichtlinie pünktlich im Sommer 2005 in Kraft tritt. In ihr wird vorgeschrieben, dass Müll nicht mehr unbehandelt auf Deponien gekippt werden darf. Der Senat hat in meinen Augen geschlafen.

Und die Abfallfirma Alba, die eng mit der BSR zusammenarbeitet?

Dem Alba-Konzern kann man keinen Vorwurf machen. Er hat als Vorreiter früh in die Anlage Reinickendorf investiert. Bei seinen Anlagen zur mechanisch-physikalischen Aufbereitung hat er aber auf ein nicht erprobtes System gesetzt, dadurch gab es lange Anlaufschwierigkeiten. Es kam zu Verspätungen. Deshalb verschiebt Alba auch heute noch Müll quer durch die Republik.

Wie groß ist der ökologische Effekt der neuen Richtlinie?

Sehr groß. Wichtig ist, dass die Deponien geschlossen und so viele ökologische Gefahren vermieden werden. Außerdem gewinnen Abfallentsorger durch die Sortierung Rohstoffe zurück. Wobei die wirtschaftlichen Folgen teils absurd sind: So benötigen die Alba-Anlagen für die Trocknung des Mülls Erdgas, einen fossilen Brennstoff. Das aufwändige Verfahren verschlingt ungefähr drei Viertel der Energie, die das Endprodukt enthält – der so genannte Sekundärbrennstoff. Er wird dann im Kraftwerk Jänschwalde verbrannt, welches – neben einem inaktzeptablen Wirkungsgrad – vor allem durch schlecht angepasste Filteranlagen auffällt.

Die vom Senat erstellten Ökokriterien bei der Müllbeseitigung werden also ad absurdum geführt?

Schlimmer. Die BerlinerInnen bezahlen dafür auch noch. Vattenfall bekommt vom Land für die Verbrennung des aufbereiteten Mülls 30 bis 40 Euro pro Tonne – obwohl der Konzern ja sogar Braunkohle spart. Für Vattenfall ist das ein dicker Profit. Die BerlinerInnen subventionieren einen Multi dafür, dass er ihnen Strom immer teurer verkauft.

INTERVIEW: ULRICH SCHULTE