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Archiv-Artikel

Senat erteilt eine Abfuhr

Ein angeblicher Müllskandal sorgt in der Wirtschaftsverwaltung, in der Stadtreinigung und der Privatfirma Alba für helle Aufregung. Kritiker halten das Geschäft mit dem Müll für zu undurchsichtig

von ULRICH SCHULTE

Alte Mülldeponien sehen aus wie grasbewachsene Hügel. Welche Prozesse im Inneren ablaufen, weiß niemand so genau. Ähnlich verhält es sich laut Experten mit dem Berliner Müllgeschäft. Es erinnere sie an eine „Black Box“, wie Senat, die Berliner Stadtreinigung (BSR) als landeseigenes Unternehmen und private Firmen wie Alba die Müllentsorgung organisiert hätten, klagt die Grünen-Umweltpolitikerin Felicitas Kubala regelmäßig.

In der Box herrscht in diesen Tagen helle Aufregung. Das Magazin Focus hatte der BSR vorgeworfen, der Entsorgungsfirma Alba, die die Berliner Basketballmannschaft sponsert, zu einem Millionengeschäft verholfen zu haben. Der Bericht über den angeblichen Müllskandal unterstellt zudem, Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) habe den unsauberen Deal gedeckt. Mit beiden Vorwürfen steht Focus alleine da. Die Staatsanwaltschaft wusste nichts von möglichen Ermittlungen, die Wirtschaftsverwaltung ließ gestern die Behauptungen per einstweiliger Verfügung verbieten. Alba und BSR haben Anwälte eingeschaltet.

Die Aufregung kreist um eine Ausschreibung aus dem Jahr 2003. Von Parlament und Senat abgesegnet und von der BSR organisiert durften sich europaweit Unternehmen um die Entsorgung von rund 460.000 Tonnen Müll im Jahr bewerben – für den größten Batzen, nämlich 230.000 Tonnen, bekam Alba den Zuschlag. Der Abfall soll in zwei neuen Verwertungsanlagen in Pankow und Reinickendorf aufbereitet werden. Hintergrund ist eine Richtlinie, nach der seit Sommer 2005 Müll nicht mehr unbehandelt auf Deponien gekippt werden darf. Bereits damals war absehbar, dass die innovativen Anlagen zur „mechanisch-physikalischen Stabilisierung“ des Mülls nicht rechtzeitig fertig sein würden. Alba vereinbarte deshalb mit einer anderen Beteiligungsfirma des Landes, der Meab, die Verschiebung von rund 130.000 Tonnen Müll im Jahr nach Brandenburg.

Dieser Verschiebebahnhof sei ein „lukratives Geschäft“, behauptet der Focus – und wittert Mauschelei. Während Alba von der BSR 120 Euro pro Tonne bekomme, zahle der Konzern der Meab nur 80 Euro. Die BSR schustere einer Berliner Firma satte Gewinne zu, anstatt selbst zu sparen, so der Tenor des Textes. Alba-Sprecher Axel Bahr nennt das „rufschädigenden Unsinn“. Man wehre sich mit allen juristischen Schritten dagegen. Intern heißt es bei Alba, dass die Zahlen in etwa stimmten – nur habe das Magazin netto und brutto verwechselt. Zu den 80 Euro, einer Nettozahl, kämen Mehrwertsteuer, außerdem Kosten für Transport und Umschlag – wodurch die Marge für Alba völlig anders aussähe. „Das ist keine Mauschelei, sondern reine Betriebswirtschaft“, sagt ein Insider. Tatsächlich hat der Landesrechnungshof die Müllausschreibung genau geprüft. „Nach menschlichem Ermessen wurde die günstigste und umweltfreundlichste Lösung gefunden“, sagt Christoph Lang, der Sprecher der Wirtschaftsverwaltung.

Doch mancher Experte hat Zweifel, ob die durch die Ausschreibung gefundene Lösung tatsächlich optimal für die Gebührenzahler ist. Branchenkenner schätzten den aktuellen Preis für Umschlag und Transport auf 20 Euro je Tonne, sagt Andreas Jarfe, Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND (siehe Interview) – die Spanne liegt beim Alba/Meab-Geschäft höher. Außerdem nehme die Meab Landkreisen in Brandenburg Müll für 60 bis 90 Euro je Tonne ab, darin seien Transport und Umschlag enthalten. „Es bleibt der Eindruck: Mit den Müllgebühren der Berliner wird eher salopp umgegangen“, so Jarfe.