ULRIKE HERRMANN ÜBER DAS TREFFEN DER G-20-STAATEN IN SYDNEY
: Herrschaft der Spekulanten

Die Schwellenländer sind machtlos. Sie werden mit Geld geflutet oder mit Geldentzug gestraft

Die neoliberale Ideologie ist zäh: Sie funktioniert nicht und wird trotzdem propagiert. Diese Dissonanz zwischen Realität und Politik war erneut auf dem G-20-Treffen in Sydney zu beobachten, wo am Wochenende die wichtigsten Finanzminister und Notenbankchefs zusammenkamen.

Neoliberale zeichnet aus, dass sie die Augen fest zudrücken und an die Selbstheilungskräfte des Marktes glauben. Deswegen gelten auch die „Finanzmärkte“ als Märkte, die niemals irren können. Ein so bedeutender Ökonom wie Raghuram Rajan stört da nur. Der neue indische Notenbankchef hatte es gewagt, die Geldpolitik der amerikanischen Fed zu kritisieren. Weil die Zinsen in den USA jetzt steigen, würden die Investoren ihr Geld aus den Schwellenländern abziehen und dort für Turbulenzen sorgen.

Die Industrieländer als Täter? Für Finanzminister Schäuble war dies eine intellektuelle Zumutung. Er beschied Rajan, dass die Schwellenländer lieber bei sich zu Hause reformieren sollten. Die Idee ist also: Wer sich anstrengt, wird von den „Märkten“ auch belohnt.

Doch diese neoliberale Welt der Märkte existiert nicht. Rajan hat Recht, dass die Herde der Spekulanten längst die Herrschaft übernommen hat. 5,3 Billionen Dollar kreisen täglich um den Globus, um mit Währungen zu hantieren. Dagegen sind die Schwellenländer machtlos. Sie werden mit Geld geflutet oder mit Geldentzug gestraft – je nachdem, was den Spekulanten Rendite verspricht.

Die Industrieländer glauben, dass sie die Not im Süden ignorieren können. Das dürfte kurzsichtig sein. Vor allem die Eurozone ist so labil, dass sie einen Crash der Schwellenländer nicht überstehen würde. Und dieser Crash kommt, wenn der neoliberale Glaube an die Märkte unerschüttert bleibt.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 10