: So war es (wohl)
Die Funde von Kalkriese erlauben es erstmals, insbesondere anhand des Schlachtberichts von Cassius Dio, eine Rekonstruktion der Schlacht zu wagen. Sein „dichter Bergwald“, in dem der Überfall geschah, muss südlich des Wiehengebirges gelegen haben, wahrscheinlich zwischen Melle und Ostercappeln, sein „offenes Gelände“ nördlich des Gebirges.
Hier ein Versuch über die Schlacht: September, 9 n. Chr. Die drei Legionen an der Weser ziehen in Winterquartiere an den Rhein zurück, da meldet Arminius dem Varus einen Aufstand. Dieser sammelt sein Heer im Bereich Herford-Salzuflen. Zunächst zieht er unbehelligt. Im Heer ahnt man nichts, übernachtet friedlich irgendwo bei Melle. Zur Tagnachtgleiche und bei Vollmond bringen sich die germanischen Krieger im angrenzenden Waldgebiet in Stellung. Am anderen Morgen hat die Armee Mühe mit dem unwegsamen Gelände und dem Regen, sie dehnt sich immer weiter aus. Als sich die Vorhut dem Wiehengebirge nähert, ist man plötzlich einem Hagel aus Pfeilen und Wurfspießen ausgesetzt. Eine wirksame Verteidigung ist unmöglich, ein Lager wird sofort aufgeschlagen. Der Tross ist verloren, doch selbst die Wagen, die gerettet werden, sind zu viele, das meiste wird verbrannt. Derweil dürfen sich die Soldaten von ihren Kameraden verabschieden, deren Köpfe jenseits des Lagerwalls aufgespießt sind.
Was nun? Nach Süden ist der Weg kürzer, führt aber zurück durch den Wald. Der Norden wäre ein Umweg. Die Lösung: Ein Kompromiss. Am nächsten Morgen stößt man nach schwerem Kampf nordwärts ins offene Gelände vor, das heute zwischen Wiehengebirge und Mittellandkanal liegt, kommt schnell voran – vielleicht ist die Kolonne nur noch einen Kilometer lang – und versucht dann, durch den Wald südlich des Kalkrieser Berges die rettenden Stützpunkte im Süden zu erreichen. Unter schwersten Verlusten werden die Römer zurückgedrängt, ihnen bleibt jetzt nur noch übrig, den Berg nördlich zu umgehen. Sie ziehen in einem Nachtmarsch genau dorthin, wo Arminius sie haben will.
Arminius hat einen 500 Meter langen Erdwall entlang des Marschweges errichten lassen, da, wo der Wald bis direkt an den hier nur etwa 100 Meter breiten, lichten und trockenen Bereich heranrückt. Bei Sonnenaufgang sehen sich die Römer erneut in einer Falle: Links der Wall, rechts der Sumpf, vorne eine Befestigung, hinten der Feind. Sie sind erschöpft, viele verwundet, Kälte und Hunger nagen an ihren Kräften. Ihre Bogensehnen, Schleudern und ihre Schilde aus Holz und Leder sind vom Regen durchnässt und unbrauchbar. Normalerweise würden sie diesen läppischen Erdwall mit der „Schildkrötentaktik“ überrollen, aber dafür braucht man gute Schilde, um das Gewicht der vorstürmenden Truppe zu tragen, und keiner hat noch eines. Also schiebt man die paar restlichen Wagen als Angriffsbühne an den Wall und setzen ihm noch mit Spitzhacken zu – doch er hält: Die römischen Verluste sind so hoch, die Zugänge der Germanen so zahlreich, das Letztere schließlich aufs Feld stürmen. Der bereits verwundete Varus und andere begehen Selbstmord, ein Überlebender befiehlt die Kapitulation.
Die römische Reiterei ist bereits geflohen, vielleicht mit dem Schatz des Heeres, wie die vielen Goldmünzen im Moor zeigen. Wenigen gelingt die Flucht, weniger noch erreichen den Rhein. Ihre Berichte dienen dem Thronfolger Tiberius zur Vorbereitung des Gegenschlages. Aber auch die Germanen rüsten sich, schon im nächsten Dorf (Venne) entsteht eine Schmiede, wo das eingesammelte Eisen weiterverarbeitet wird. Der Krieg dauert dann noch 7 Jahre. PHIL HILL