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Archiv-Artikel

Ein Reeder mischt die Insel auf

Auf Spiekeroog schätzen sie die Gleichheit. Aber jetzt kommt ein Erfolgsunternehmer vom Festland und plant Angebote für betuchte Touristen. Die Insulaner fürchten ein zweites Sylt, obwohl der Neue sich als Unternehmer mit Gewissen erwiesen hat

von Benno Schirrmeister

Niels Stolberg ist ein gewiefter Unternehmer. Ein Hai? Das scheint nicht zu passen. Haie sind keine Wohltäter, und der Gründer der Bremer Beluga-Reederei behält sein Geld nicht für sich allein.

An der Bremer Hochschule finanziert er zwei Nautik-Professuren, drei hat er an der Seefahrtsschule von Elsfleth in der Wesermarsch gestiftet, wo er vor 20 Jahren selbst sein Kapitänspatent erworben hat. Erhebliche Summen steckt Stolberg dort auch in den Aufbau eines maritimen Kompetenzzentrums. Und in Thailand lässt er ein Dorf für Tsunami-Waisen errichten.

Das alles kostet erhebliche Summen, keine Frage, und die hätte er nicht über, wenn das Geschäft nicht profitabel wäre: Container und Schwergutfracht boomen seit bald zehn Jahren. Und Beluga, 1995 als Kleinstbüro gegründet, hat sich zur „Group“ mit Filialen in Rotterdam, Peking, Houston, Sao Paolo und Shanghai entwickelt. Der Jahresumsatz liegt bei über 105 Millionen Euro. Die Flotte wächst. „Ich sorge für frischen Wind in der Reeder-Welt“, hat er den „Ostfriesischen Nachrichten“ kürzlich anvertraut. Deren Interesse dürfte daher rühren, dass der Bremer Unternehmer des Jahres 2006 in Ostfriesland lebt. Auf Spiekeroog.

Für Wind gesorgt hat er auf der Insel auch. Manche sprechen von einem regelrechten Sturm. Stolberg hat dort 1999 nicht nur ein Häuschen gekauft und saniert, sondern noch eins und noch eins. Er hat begonnen, Ferienwohnungen zu vermieten, hat ein Hotel eröffnet, ein schickes Shopping-Center auch, ein Künstlerhaus plant er. Jetzt kursieren Gerüchte, er wolle die Insel in ein Mini-Sylt verwandeln. Und er plane, das Gemeinde-Monopol bei den Fährverbindungen zu brechen. Und das ist doch deren beste Einnahmequelle.

Auslöser der Vermutungen: Der Unternehmer lässt seine Angestellten mit eigenen Booten vom Festland auf die Insel bringen und zurück. Tideunabhängig, täglich und mit einer Fahrtzeit von nur 15 Minuten. „Wissen Sie“, sagt Stolberg abwehrend, „ich habe eine große Reederei. Ein Fährbetrieb? Never ever.“ Das reize ihn „überhaupt nicht“. Und das mit Sylt? „Ich bin Sylt-Hasser.“

„Wenn jemand ein Hotel baut, kann ich damit leben“, sagt der Insulaner Georg Germis. „Das ist ein fairer Konkurrenzkampf“. Germis` Familienhotel war früher die Nummer eins auf der Insel. Jetzt hat Stolberg die meisten Betten. Aber das sei nicht das Problem: Die traditionellen Strukturen, darauf sei man stolz auf Spiekeroog. „Wir müssen schauen: Was verträgt die Insel“. Das habe man auch in den 1970er Jahren getan – und damit alle Bettenburgen-Pläne vereitelt. „Wenn jemand ankommt und erst mal überlegt, was er denn verändern könnte – da haben wir Angst vor.“

Das Bewahrer-Modell hat so seinen Charme, auch soziologisch: „Keiner ragt auf der Insel über die anderen hervor“, schrieb der Heimatkundler August W. Wessel seinerzeit über Spiekeroog, „die Menschen fühlen sich hier alle gleich.“ Das war 1863. Es hätte aber auch 1998 sein können. Das Modell hat aber auch Nachteile, gerade für den Tourismus. Weil die Ansprüche auf dem Festland einem stärkeren Wandel unterworfen sind. So richtet sich Stolbergs gastronomisches Angebot an Besucher, die auch mal nach 21 Uhr eine warme Mahlzeit zu sich nehmen, die etwas betuchter sind, und die nicht die Geborgenheit einer protosozialistischen Idylle suchen. Früher hatte man solche Kunden auf der Insel nicht.

Stolbergs Expansionskurs ist längst Inselgespräch geworden. Die Kommunalwahlen, munkeln manche, könnten die Entscheidung bringen. Allerdings: Die Möglichkeiten, einen unliebsamen Investor zu stoppen, sind begrenzt. Wenn er eine marktbeherrschende Stellung erreichte, „könnte das ein Fall fürs Wettbewerbsrecht sein“, sagt Volker Eichener vom Bochumer Institut für Stadt- und Regionalentwicklung. Ansonsten könne man dem Käufer mit dem Ortsrecht „die Freude am Grundstück vergällen“, beispielsweise durch den Bebauungsplan. Einschlägige Erfahrungen haben die Spiekerooger Stolberg bereits bereitet: Ausgerechnet sein Künstlerhaus-Projekt, gedacht als Fördermöglichkeit für Kunsthochschüler, haben sie vorerst gestoppt. Per Gemeinderatsbeschluss.