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Archiv-Artikel

Die erst entfachte Euphorie ist schon verpufft

DEUTSCHE EISHOCKEY-LIGA Vor dem heutigen Saisonstart ist von der WM-Begeisterung im Mai nichts mehr zu spüren. Die Liga hat einen katastrophalen Sommer hinter sich. Immer mehr Clubs schlittern der Insolvenz entgegen. Es mangelt an sicheren Geldgebern

„Die Probleme in Frankfurt, Hannover und Kassel haben uns aber herunter gezogen.“

Lance Nethery, Manager der Düsseldorfer EG

KÖLN taz | Einigkeit erzielten die Trainer der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) vor dem Start in die 17. Saison nicht. Bevor es am Freitag wieder losgeht, lagen in einer Favoriten-Umfrage zwar die üblichen Verdächtigen Eisbären Berlin (10 Nennungen) und Adler Mannheim (8) vorn. Viele halten aber auch einen erneuten Außenseitersieg wie den der Hannover Scorpions in der vergangenen Spielzeit für denkbar. „Es wird immer schwieriger, irgendwelche Vorhersagen zu machen“, sagt Bill Stewart, Coach der Kölner Haie. Dass die Herren ein bisschen durcheinander sind, ist kein Wunder.

Vor ein paar Monaten gingen alle noch davon aus, dass die DEL der Saison 2010/2011, inklusive Aufsteiger EHC München, aus 16 Vereinen bestehen werde. Doch im Sommer gingen die Frankfurt Lions, Meister des Jahres 2004, pleite. Zwischendurch geriet auch der aktuelle Champion Hannover in finanzielle Turbulenzen, er rettete sich aber noch. Nach monatelangem Rechtsstreit wurde in der vergangenen Woche schließlich der insolvente Traditionsklub Kassel Huskies aus der Liga verbannt. So hat die DEL nur noch 14 Mitglieder, und es ist nicht ausgeschlossen, dass es bald noch weniger sein werden. Die Liga hat weiterhin keinen lukrativen TV-Vertrag. Nur Berlin und Hamburg, Klubs des US-Unternehmers Anschutz, sowie die Adler Mannheim (SAP) und der ERC Ingolstadt (Saturn) verfügen derzeit über sichere Geldgeber.

Die unfreiwillige Verkleinerung bringt immerhin den Vorteil mit sich, dass es nur noch 52 – und nicht 60 – Hauptrundenspiele gibt, bevor es im Frühjahr in den Playoffs ernst wird. Die Nachteile überwiegen aus Sicht der Klub-Chefs jedoch. „Dieser Sommer war eine Katastrophe für die Liga“, sagt etwa Lance Nethery, Manager der Düsseldorfer EG. „Die Weltmeisterschaft hat gezeigt, wie attraktiv Eishockey ist. Die Probleme in Frankfurt, Hannover und Kassel haben uns aber heruntergezogen.“

Der DEL ist es tatsächlich nicht in Ansätzen gelungen, von der Euphorie zu profitieren, die die Eishockey-Nationalmannschaft im Mai entfachte. Kaum jemand erinnert sich noch an die famosen Spiele der Auswahl von Uwe Krupp, die bei der Heim-WM völlig unerwartet ins Halbfinale einzog; an das Eröffnungsspiel in der Schalker Arena vor 77.803 Zuschauern. Der Ruhm ist im Nichts verpufft. So muss die Begeisterung für die schnellste Randsportart der Welt auf ein Neues geschürt werden.

Ein paar bemerkenswerte Dinge haben sich getan. Die Eisbären Berlin zeigen zurzeit beim internationalen Vorbereitungsturnier „Champions Trophy“ gute Frühform. Hardy Nilsson, Trainer des schwedischen Spitzenklubs Djurgardens IF, pries den viermaligen deutschen Meister gar als „starke, schnelle und abgebrühte Mannschaft“. Da die Eisbären die Finalrunde in Salzburg am kommenden Wochenende erreicht haben, mussten sie ihren Saisonstart verschieben – was sie gern in Kauf nehmen. Trainer Don Jackson geht davon aus, dass seine Profis durch das Turnier viel „Selbstbewusstsein und Wettkampfhärte“ gewinnen werden.

Den Kölner Haien, die nach ihrer Finanzkrise neue Investoren gefunden haben, ist es zudem gelungen, den Kanadier Matt Pettinger zu verpflichten. Der Angreifer kann 423 Einsätze in der National Hockey League (NHL) vorweisen, und er ist erst knapp 30 Jahre alt. Normalerweise kommen Cracks seines Kalibers nur im sehr fortgeschrittenen Sportleralter oder gar nicht nach Deutschland. „Matt kann einer der Stars der Liga werden“, jubiliert Kölns Coach Stewart.

Beim DEL-Rekordmeister Adler Mannheim übt man sich in nie gekannter Bescheidenheit. Der von SAP-Milliardär Dietmar Hopp finanzierte Klub, der es in der Vorsaison peinlicherweise nicht bis in die Playoffs schaffte, verzichtete diesmal auf protzige Einkäufe aus Übersee. Nationalverteidiger Robert Dietrich ist der bekannteste Neuzugang – neben Trainer Harold Kreis, der aus Düsseldorf abgeworben wurde. Der Deutsch-Kanadier, der während der WM als Assistent von Bundestrainer Krupp im Einsatz war, ist der Mannheimer Hoffnungsträger. Als Spieler gewann er zwei Meistertitel mit den Adlern, denen er nun weitere folgen lassen soll. Großspurige Sprüche sind aus Mannheim aber nicht zu hören. Das offizielle Saisonziel lautet nur: Besser sein als in der Saison 2009/2010.

CHRISTIANE MITATSELIS