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Archiv-Artikel

Ein Experiment, das auch mal scheitert

SCHAUSPIEL Das Theater Bremen startet mit Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ in der Inszenierung von Robert Schuster in die Saison

VON JAN ZIER

Wenn diese Schauspiel-Premiere im großen Haus des Theaters – immerhin die Eröffnung der Saison, der intendantenlosen Post-Frey-Ära – eine Botschaft hat, dann diese: Sie trauen sich wieder! Es darf experimentiert werden! Und: Auch Klassiker müssen nicht allzu klassisch daher kommen. Früher hätte man Inszenierungen wie diese wohl im Brauhauskeller, mindestens im Schauspielhaus versteckt.

Eine gute Botschaft, nicht allein fürs Feuilleton. Auch wenn das Experiment, so wie in diesem Fall, gelegentlich scheitert. Oder über das Ziel hinausschießt. Auch wenn, sicherlich sehenden Auges, der konservative Teil des hiesigen Premierenpublikums verschreckt wird. Nach der Pause von Shakespeares Verwechslungskomödie „Was ihr wollt“ in der Inszenierung von Robert Schuster jedenfalls lichteten sich die Stuhlreihen sichtlich. „Nicht witzig“, war da mehrmals zu hören. Manch einem war das Gesehene wohl auch zu vulgär, zu zotig, zu laut. Und doch: Von den verbleibenden ZuschauerInnen bekam Schuster nach drei langen Stunden „Bravos“ zugerufen.

Schuster ist in Bremen zuletzt mit Büchners „Woyzeck“, vor allem aber mit „Die Bakchen“ von Euripides positiv in Erinnerung. Aber hier, wie auch anderswo im Land, bislang nicht unbedingt als radikaler Modernisierer aufgefallen. Indes, um es mit dem viel gerühmten Regisseur Peter Konwitschny zu sagen – wenn man Shakespeare klassisch inszeniert: „Das ist wie eine Vase im Museum.“ Tot. Nicht wiederzubeleben.

Schuster versucht es, engagiert, aber ohne, dass das Vorhaben auf ganzer Linie ein Erfolg wäre. Ohne Frage zeichnet sich seine Inszenierung durch allerlei guten Ideen aus. Aber mitunter ist sie so darin verliebt, dass sie über alle Maßen ausgereizt werden. Zu tief dringt der Shakespeare zur Seite gestellte Text von Matthias Schlechta in die Wortspielhölle vor, zu oft erliegt er der Versuchung des Kalauers.

Nebenbei gerät dabei auch die zu erzählende Geschichte zeitweise in den Hintergrund. Sie spielt im Fantasieland Illyrien, ein Schiffbruch trennt die Zwillinge Viola und Sebastian, sie begibt sich, verkleidet als junger Mann, auf die Suche nach ihrem Bruder. Es folgen allerlei Liebesverwirrungen. Und schließlich: ein Happy End. Leider vergibt Schuster die Chance, näher einzugehen auf das naheliegende Thema der sexuellen Indifferenz, der künstlichen, überholten Konstruktion dessen, was „männlich“ oder „weiblich“ ist. Da wäre mehr drin gewesen.

Das gilt auch für die gute Idee, den reichlich vorhandenen Raum vor der Bühne zu nutzen und mit Musik zu füllen. Doch die Band, aus dem Ensemble zusammengestellt, elektrisch verstärkt, ist vielfach zu laut. Sie übertönt bisweilen den Text. Darüber hinaus bestätigt sich einmal mehr ein Vorurteil: Das nicht jeder gute Schauspieler, auch ein guter Sänger ist – was für Frauen hier ebenso gilt wie für Männer. Manches Gesungene klingt hier eher dünn.

Doch die Leistungen der Schauspieler in ihrem eigentlichen Metier sind durchweg zu loben. Sie vermögen auch über Schwächen der Inszenierung hinweg zu helfen. Großartig ist ferner das minimalistische Bühnenbild, das ein wenig an „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ erinnert, eine Reihe von in sich dreh- und verschiebbaren, sich nach hinten verjüngenden Rahmen. Deren Stirnseite bildet die Folie für intelligente Videoprojektionen, wird dafür leider selten genutzt.

Was heißt das jetzt für die neue Schauspiel-Saison? Kein schlechter Anfang. Aber: Da geht noch was.

Nächste Vorstellungen: 5. und 12. September, 18 Uhr. 18., 25. und 30. September, 19.30 Uhr