: Sie haben Klaus
In dem Film „Die Quereinsteigerinnen“ von Rainer Kneppergens und Christian Mrasek mischen sich Kidnapping, fröhlicher Politdilettantismus – und die Liebe zum Einzelgänger-Kino eines Klaus Lembke
VON EKKEHARD KNÖRER
Dieser Film ist fortschrittsfeindlich! Zwei Frauen, Barbara (Nina Proll) und Katja (Claudia Basrawi) entführen den Boss der Telekom und fordern in Briefen, die sie auf einer uralten Schreibmaschine tippen, die Wiederaufstellung der alten, gelben Telefonzellen. Drehbuchautor und Koregisseur Rainer Knepperges spielt den Telekom-Boss selbst, der Name ist Harald Winter und erinnert an Ron Sommer selig. „Einen Eindruck von Professionalität macht diese Entführung auf mich nicht“, sagt Winter, und man wird ihm da zustimmen.
Zu dritt landen sie in einer Hütte im Wald, bald kommt Stefan (Mario Mentrup) dazu, Katjas Ex, und leistet Gesellschaft sowie Entführungsbeihilfe. Einmal flieht der Telekomchef, es kommt zu einer furios geschnittenen Verfolgung durch den Wald, an deren Ende Herr Winter auf dem Hosenboden landet. Der Entwicklung einer einigermaßen wunderbaren Freundschaft stehen diese kleinen Auseinandersetzungen nicht im Wege. Winter verguckt sich in Barbara. Man trinkt Eierlikör, man tanzt zu Musik von Herb Alpert.
Und man regrediert. In der Hütte, die Katjas Tante Lucy gehörte, finden sich reichlich 70er-Jahre-Klamotten, von psychedelisch bunt bis Norwegerpullover. Eine merkwürdige Tendenz des deutschen Kinos der letzten Jahre: Das Einsamkeitsszenario erinnert – womöglich mit Absicht – an Hans Weingartners „Die fetten Jahre sind vorbei“, auch an „Sie haben Knut“ von Stefan Krohmer. Während aber Weingartner unreflektiertes Politgelaber und pubertäre Großkotzigkeit linkisch mischt und Krohmer die frühen Achtziger mit sanftem Spott überzieht, bewegt sich „Die Quereinsteigerinnen“ zwischen entschlossenem Unernst und verkichertem Rückzug in eine aus der Welt gefallene und darin fast schon wieder unheimliche Privatheit.
Diese Privatheit aber gibt sich als Weltverzicht und entschieden unpolitisch, es sei denn, man hält die kurz mal entworfene uruguayische Utopie einer in den Tag hinein lebenden Kaffeehausrepublik für eine politische Vision. Natürlich ist es sympathisch, sich die Welt, wie der Film das tut, als einziges Kinderspiel vorzustellen. Und gewiss ist das Programm des fröhlichen Dilettantismus erst einmal sehr erfrischend. Ein zweimaliger Gastauftritt unterstreicht denn auch die eigentliche Forderung der Filmemacher: Es geht nicht um die gelben Telefonzellen – in Wahrheit wollen sie das Kino des kämpferischen Kino-Einzelgängers Klaus Lemke wiederhaben.
Aber gerade im Vergleich mit Lemkes ungehobelten Milieustudien ist „Die Quereinsteigerinnen“ dann doch nicht mehr als hübsch verschrobenes Kuschelkino für Liebhaber intelligenter Schrägheit. Man wird den Entstehungsbedingungen seine Sympathie nicht verweigern können. Zwar wurde der Film, wohl versehentlich, ein bisschen gefördert, bewegt sich aber am unteren Existenzminimum hiesiger Budgetverhältnisse. Wie er das tut, macht immer wieder Eindruck. Einzigartig ist etwa der Ton, den die Schauspielerin Nina Proll und vor allem die Nicht-Schauspieler Rainer Knepperges und Claudia Basrawi finden. Sie wollen nur spielen und so klingen sie auch. Das ist oft verdammt komisch.
Je länger man aber der Kindergartengeheimsprache lauscht, auf die Barbara und Katja verfallen, desto unheimlicher wird einem das Ganze. Nichts gegen Fortschrittsfeindlichkeit, nur muss sie wirklich im Norwegerpulli daherkommen und sich darin erschöpfen, zur Musik von Herb Alpert zu tanzen?
„Die Quereinsteigerinnen“. Regie: Rainer Kneppergens, Christian Mrasek. Mit Nina Proll, Claudia Basrawi, Klaus Lemke u. a., Deutschland 2005, 81 Min.