Lob für Polizei, Kritik an Schäuble : KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE
Die Bomben in den Zügen sind, wohl zufällig, nicht explodiert. Die Polizei hat einen Verdächtigen rasch festgenommen. Zwei gute Nachrichten – für jene Menschen, die ihrem Schicksal entgangen sind, für das politische Klima und für die deutschen Muslime.
Die deutsche Gesellschaft hat bislang ziemlich zivil und abgeklärt auf den Terror reagiert. Das Attentat in Djerba 2002 nahm sie fast gelassen zur Kenntnis. Die nach dem 11. 9. 2001 kurz aufflackernde Schläferhysterie blieb eine Episode. Aber das muss nicht so bleiben. Niemand weiß, wie explodierende Züge die Stimmung verändern würden. Schon deshalb gilt es, die Polizei zu loben. Auch mancher Linksliberale wird sich fragen müssen, ob Videoüberwachung nicht doch ihr Gutes hat.
Ansonsten sollte man mit Schlussfolgerungen lieber vorsichtig sein. Denn viel ist noch unklar. Und manches nur ein durchsichtiger Versuch, Stimmung zu machen.
So heißt es allerorten, auch Deutschland sei nun Ziel des islamistischen Terrors, wie die USA und Großbritannien. Wir können uns nicht mehr verstecken, heißt es. Wir müssen im Antiterrorkampf aufrüsten. In der Tat ähneln sich die Taten und Bilder. Wie in Madrid und London plante Youssef Mohamad E. offenbar einen Anschlag, der möglichst viele Zivilisten töten sollte. Wie in London sehen wir fassungslose Nachbarn, die rätseln, warum der unauffällige junge Mann von nebenan ein potenzieller Massenmörder sein soll. Diese Parallelen sind augenscheinlich – erklären aber wenig. In Großbritannien existiert eine gewachsene terroristische Struktur mit Verbindungen nach Pakistan. In Deutschland gibt es, trotz der versuchten Zug-Attentate, nichts Vergleichbares. Im Fall des Libanesen Youssef Mohamad E. ist sogar noch ungewiss, ob ein nennenswertes terroristisches Netz im Hintergrund existiert.
Im Innenministerium werden trotzdem, wie in einem Pawlow’schen Reflex, alle geplanten Gesetzesverschärfungen aus den Schubladen gekramt. Schäuble will mehr Kompetenzen für den BND, mehr Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Mehr, mehr, mehr. Es ist der übliche Reflex. Wir sollten ihn, trotz des Lobs für den Fahndungserfolg, skeptisch beurteilen.