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: Das mit dem rhythmischen Klatschen üben sie noch

TISCHTENNIS Die Frauen des TTC Berlin machen den Pausenfüller bei den Männern

Jede Benimmfibel lehrt, dass sich Gäste gegenüber ihrem Gastgeber in Zurückhaltung üben sollten. Am Freitagabend aber, als sich die Frauen des TTC Berlin Eastside ihren Fans vorstellten, verhielt es sich genau umgekehrt.

Der Tischtennis-Bundesligist hatte sich zur Saisoneröffnung zwei renommierte Männerteams eingeladen. Statt in der pfälzischen Heimat trug der TTC Grenzau sein Champions-League-Spiel gegen den russischen Vertreter Fakel Gazprom Orenburg in der knapp 600 Kilometer entfernten Berliner Anton-Saefkow-Halle aus. Die Frauen des TTC Berlin verdingten sich dabei als Pausenfüller. Der Hallensprecher rief dem zu Bier und Bockwurst hinausstrebendem Publikum zu: „Sie wollen es doch nicht verpassen, die sehr schönen Damen von Berlin Eastside zu sehen.“ Und so entschlossen sich doch einige zum Bleiben fürs Pausenintermezzo.

Tanja Hain-Hofmann, Spielerin und Managerin in Personalunion, erklärte danach: „Wir haben unser erstes Bundesligaspiel am Sonntag gegen den SV Böblingen bewusst außen vorgelassen. Es ist schon ein Ereignis, wenn man Tischtennisspielern wie Vladimir Samsonov und Dimitrij Ovtcharov zuschauen kann.“

Insbesondere Deutschlands zweitbester Profi Ovtcharov, der Platz 13 der Weltrangliste belegt, überzeugte beim ersten Auftritt für seinen neuen russischen Verein durch sein druckvolles und risikoreiches Spiel. Weil Samsonov (Rang sieben der Weltrangliste) dagegen etwas schwächelte, konnte Grenzau die Niederlage mit 2:3 knapp halten.

Damit war nicht zu rechnen. Zumal das Publikum seine Sympathien für die Grenzauer recht verhalten zum Ausdruck brachte. So musste der Mann am Mikrofon Optimismus verbreiten: „Das mit dem rhythmischen Klatschen bekommen wir auch noch hin.“ Und sicherheitshalber fasste er für die Zuschauer die Botschaft des Abends noch einmal stichwortartig zusammen: „Tolles Tischtennis, Champions League, Berlin.“

Hain-Hofmann erklärte, sie hoffe schon, dass von den 300 Zuschauern in der ausverkauften Halle der ein oder andere beim Frauentischtennis hängen bleiben würde. Nachdem sich im Mai der Hauptsponsor zurückgezogen hatte, stand die Zukunft des Vereins infrage. Doch mittlerweile hat man den Verlust mehr als wettmachen können, wie Hain-Hofmann erzählt. Der lang ersehnte Meistertitel wäre zwar wegen der Ausnahmestellung des FSV Kroppach immer noch Utopie, Platz zwei sei aber Pflicht.

Obwohl der TTC Berlin Eastside also selbst zur erweiterten europäischen Spitzenklasse gehört, spannte man am Wochenende ein Männerklub als Zugpferd für sich ein. Möglich war dieser Deal nur, weil sowohl der Frauenerstligist als auch der TTC Grenzau über einen gemeinsamen Großsponsor verfügen. Dieser verpflichtet die Pfälzer pro Saison drei Heimspiele im Sinne des Geldgebers zu verkaufen – eine Globalisierungserscheinung des Sports. Gutes Tischtennis kann überall „produziert“ werden, denken sich die Sponsoren. So setzen sie „ihre“ Mannschaften auch als mobile Promotionteams ein.

Der 74-jährige Präsident des TTC Grenzau, Manfred Gstettner, der den Verein als 16-Jähriger gründete, zeigte sich am Freitagabend froh, dass seinem Klub die Champions-League-Teilnahme auf diese Weise kein Geld kostet. Zu verdienen gebe es dort ja eh nichts. Gstettner hat sich trotz aller Neuerungen in seinem Sport eine pragmatische Sichtweise bewahrt: „Mit dem Bundesligaspiel gegen Fulda am Sonntag hätten wir jetzt zwei Heimspiele innerhalb von zwei Tagen gehabt. Das ist doch zu viel für unsere Fans.“ Zwei Anhänger aus der Pfalz, die die achtstündige Autofahrt nach Berlin auf sich genommen hatten, waren da ganz anderer Meinung. In Grenzau, erzählten sie, sei man sehr enttäuscht, dass diese Partie verkauft wurde. JOHANNES KOPP