: Legalize it
Der Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands, Georg Wurth, hat bei der TV-Castingshow „Millionärswahl“ von Pro7 eine Million Euro gewonnen
■ Hanf-Aktivist aus Berlin. Er machte eine Ausbildung zum Finanzbeamten und war lange Zeit bei den Grünen aktiv. Seit 2001 ist er Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands: www.hanfverband.de
INTERVIEW LUKAS DUBRO
taz: Herr Wurth, der Gewinn der Millionärswahl ist einer der größten Erfolge des Hanf-Verbands. Kann man sagen, dass das Thema Hanf-Legalisierung nun definitiv im Mainstream angekommen ist – also nicht mehr nur von Hippies, Freaks und ein paar Linken und Grünen unterstützt wird, sondern aus der Mitte der Gesellschaft?
Georg Wurth: Unser Erfolg bei der Fernsehshow ist sicherlich ein Indiz dafür. Klar haben da auch Leute mitgemacht, die von uns mobilisiert worden sind. Es waren aber auch viele andere. Dennoch lässt sich nicht genau bestimmen, wie viele Menschen zurzeit in Deutschland für die Legalisierung sind, weil es lange keine repräsentative Umfrage mehr zu dem Thema gegeben hat. Deshalb wollen wir mit dem Geld eine eigene Umfrage starten. Auch das Internet ist da nicht aufschlussreich. Dort gibt es Ergebnisse von 80 bis 90 Prozent. Das halte ich für unrealistisch.
Was für Leute kommen bei Ihnen vorbei? Wer interessiert sich für Ihre Arbeit? Lässt sich da auch ein Trend ablesen?
Bei uns machen immer mehr Leute mit, die normal berufstätig sind. Das sind Chefs genauso wie Angestellte. Aus welchen Schichten sie kommen, lässt sich wiederum nicht genau sagen. Die Masse ist jedoch beeindruckend. Wir haben mehr Fans auf Facebook als alle im Bundestag vertretenen Parteien zusammen. Und es gibt noch Cannabis-Gruppen, die erheblich größer sind als wir. Man kann also schon sagen, dass wir eine Bewegung sind – eine Volksbewegung, die sich eine andere Politik wünscht.
In der Sendung haben Sie angekündigt, das Preisgeld dafür einzusetzen, die Debatte über die Hanf-Legalisierung weiter zu fördern und in die Öffentlichkeit zu bringen. Von der Umfrage einmal abgesehen – welche konkreten Projekte sind da geplant?
Wir wollen den ersten deutschen Legalisierungs-Fernsehspot schalten. Das haben wir uns aus den USA abgeguckt, wo durch Medienkampagnen viel erreicht wurde. Aber wir haben auch einiges anderes vor. Zum Beispiel möchten wir Patienten finanziell unterstützen, die für ihr Recht kämpfen, aus medizinischen Gründen Eigenanbau zu betreiben. Im Wesentlichen wollen wir das Geld aber nutzen, um die Leute zum Nachdenken zu bewegen. Etwa darüber, ob es Sinn macht, jemanden mit einer Hausdurchsuchung zu drangsalieren, weil er mit zwei Gramm auf der Straße erwischt wurde.
Im letzten Herbst haben 120 Strafrechtsprofessoren einen Appell an die Bundesregierung gerichtet, eine Enquete-Kommission zur Überprüfung der Drogenpolitik ins Leben zu Rufen. Haben Sie eine Erklärung, warum seitens der Regierung darauf keinerlei Reaktion kam?
Na ja, von der CDU-Regierung war da nicht viel zu erwarten. Spannender ist die Frage, ob sich die Opposition auf eine Enquete-Kommission einigen kann. Es ist aber sinnvoll, sich noch mal grundsätzlich über die Auswirkungen des Verbots Gedanken zu machen. Erfüllt es überhaupt seinem Zweck, nämlich den Konsum zu reduzieren? Dafür gibt es keinerlei Hinweis. Auf der anderen Seite stehen negative Begleiterscheinungen wie die Verfolgung der Konsumenten, die Kosten für die Durchsetzung des Verbots, die Streckmittel, die Kriminalität, die Tabuisierung, wegen der keine Prävention betrieben werden kann.
Was sind die Argumente Ihrer Gegner?
Das ist ja der Witz: Es gibt keine. Deshalb interessiert mich das Thema auch so. Es gibt eher Ängste, die man ernst nehmen muss. Die Leute haben Angst, dass Jugendliche plötzlich mehr rauchen und eine Droge zusätzlich auf den Markt kommt. Dabei ist Cannabis ja auf dem Markt. Millionen von Deutschen haben es in den letzten Monaten konsumiert. Dass eine Legalisierung den Konsum nicht erhöhen würde, zeigen die Niederlande: Die liegen in Europa im Mittelfeld.
Wann glauben Sie, können wir in Deutschland mit einer Legalisierung rechnen?
Bis zur vollständigen Legalisierung wird es noch zehn Jahre dauern. Ich denke, dass die ersten Coffeeshops schon eher kommen könnten. In Form von Modellprojekten wie etwa in Friedrichshain-Kreuzberg.
Das klingt sehr zuversichtlich. Was muss dafür konkret getan werden?
Wichtig ist, dass die Leute offener werden und darüber reden. Es gilt, ein Umdenken zu erreichen. Denn ohne eine Mehrheit in der Bevölkerung werden wir letztendlich unsere Ziele nicht umsetzen können. Ansonsten kann man natürlich den Hanfverband unterstützen. Man kann sich einer unserer Gruppen anschließen, Flyer verteilen oder zu Demos kommen. Anfang Mai sind viele Aktionen zum Global Marihuana March geplant.