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Archiv-Artikel

Kunstrundgang Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Jan Davidoff: bis 30. September, nach Vereinbarung, www.18m-galerie.de, Galerie 18m, Akazienstr. 30

Der erste Blick fällt auf den Sitzsack aus orangefarbenem Kunstleder. Auf ihm liegt ein Lidl-Angebot-der Woche-Flyer, auf dem ein orangefarbener Sitzsack als Ambiente dient. Willkommen in der Retro-Schleife: Der Sitzsack ist Original 70er Jahre, der Flyer Original 2006.

Kaum zu glauben, aber erst in den 70er Jahren wurde die Welt bunt, und damit – orange. Diesem Phänomen geht die Ausstellung „Mein Orange“ in der Galerie der Schwartzschen Villa nach. Sabine Weißler, Leiterin des Kulturamt Steglitz und Herausgeberin des amüsant-informativen Katalogbuchs (Jonas Verlag, 10,- €) nutzt das Possesivpronomen zu Recht. Orange ist eine Generationenfarbe, eine Generationenerfahrung wie Plastikmöbel und Disco.

Am schönsten, weil am repräsentativsten für die Orangene (Jugend-)Revolution, ist natürlich die Stehlampe mit ihren orangefarbenen, sexfreundlichen Plastiklichtblasen. In Steglitz findet sich das ultimative Exemplar: Weil die damals üblichen zwei Steckdosen pro Zimmer für die Stereoanlage und den Plattenspieler nicht mehr ausreichten, brachte sie gleich vier weitere mit. Orange ist aber mehr als Sex und Rock‘n‘ Roll und auch das ist in Steglitz zu erfahren.

Mein Orange: bis 15. Oktober, Di-Fr 10-18, Sa 14-18 UhrSchwartzsche Villa, Grunewaldstraße 55

Ein plakativ eingesetztes Orange mit einem starken Stich ins Rote ist auch in Jan Davidoffs Gemälden zu entdecken, denen der junge Münchner Maler Motive seiner Fotos zugrunde legt, die er auf Reisen nach Indien, Afrika und zuletzt China aufnahm. Offenkundig liebt er die urbane Szenerie, den Markt, modernistische Archtiekturen. Über deren digitale Bearbeitung gewinnt Davidoff schemenhaft abstrahierte Vorlagen, denen er dann einen neuen malerischen Tiefen- und Farbraum gibt. Damit wirklich aus dem Bereich der Illustration auszubrechen und mit dem gemalten Bild abzuheben, gelingt ihm nur sehr bedingt.