: Pjöngjang macht Manöver zum Kriegsgrund
Nordkorea droht mit einem Präventivschlag und der Aufkündigung des Waffenstillstandsabkommens von 1953
BERLIN taz ■ Nordkorea hat gestern wegen eines Militärmanövers in Südkorea mit einem militärischen Präventivschlag gedroht. Am Montag hatte im Süden der koreanischen Halbinsel das jährliche Manöver von amerikanischen und südkoreanischen Truppen begonnen. Nordkoreas offizielle Nachrichtenagentur KCNA bezeichnete das Manöver „Ulchi Focus Lens“ als „unverhohlene militärische Bedrohung und Erpressung der Demokratischen Volksrepublik Korea und als kriegerischen Akt“.
Die Agentur zitierte einen Armeesprecher, wonach die koreanische Volksarmee „sich das Recht auf präventive Aktion gegenüber dem Feind vorbehält.“ Nordkorea sei dann auch nicht mehr an das Waffenstillstandsabkommen von 1953 gebunden. Denn das Manöver würde das Abkommen für „null und nichtig“ erklären. Der Waffenstillstand hatte den dreijährigen Koreakrieg abgeschlossen, der formal nur als ausgesetzt und nicht beendet gilt, da sich beide Seiten nie auf einen Friedensvertrag einigen konnten. Die nordkoreanische Regierungszeitung Minju Joson schrieb, die Militärmanöver im Süden könnten „sich jederzeit zu einem Atomkrieg“ gegen Nordkorea entwickeln.
Südkorea und die USA, die dort rund 30.000 Soldaten stationiert haben, führen das Manöver seit 1975 jährlich durch und bezeichnen es als defensiv. An der noch bis 1. September dauernden Übung, die jetzt hauptsächlich aus Computersimulationen bestehen soll, nehmen 9.000 US-Soldaten teil. 4.000 von ihnen wurden eigens aus US-Basen im Pazifik eingeflogen, was zur Verärgerung in Pjöngjang beigetragen haben dürfte.
Nordkorea reagiert jedes Jahr heftig auf die Militärmanöver im Süden, die es als gegen sich gerichtet empfindet, wird dabei doch die Abwehr eines nordkoreanischen Angriffs trainiert. Jetzt sind die Töne aus Pjöngjang etwas schriller als sonst. Auch sind die Spannungen in der Region stärker. Am 5. Juli hatte Nordkorea Mittel- und Langstreckenraketen getestet und damit ein Testmoratorium aufgekündigt. Nordkoreas Test wurden vom UN-Sicherheitsrat verurteilt. Auch liegen die Sechser-Gespräche über Nordkoreas Atomprogramm auf Eis, seitdem die USA eine Bank in Macau beschuldigten, von Nordkorea gefälschte Dollar-Noten in Umlauf gebracht zu haben. Vergangene Woche berichteten Medien, Nordkorea plane möglicherweise einen Atomtest. Beobachter fürchten, Pjöngjang könne dafür das jetzige Manöver als Vorwand nehmen. SVEN HANSEN