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Archiv-Artikel

30 oder 300 Jahre

VORTRAG Eine Biologin spricht über die biologischen Ursachen des Alterns bei Mensch und Muschel

Von MNZ
Doris Abele, 52

■ forscht im Bereich „Funktionelle Ökologie“ beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven

taz: Was kann von den Muscheln über das Altern lernen, Frau Abele?

Doris Abele: Vieles was man auch an anderen Organismen lernen kann. Sie bestehen ja auch aus einzelnen Zellen. Die Frage ist, warum können sich die Zellen nicht immer weiter teilen, dann könnte man ja auch immer weiter leben.

Und?

Eine Erklärung für die unterschiedliche Lebenserwartung von Tieren liefert die gewichtsbezogene Stoffwechselrate. Im Prinzip haben schwerere Organismen eine niedrigere Stoffwechselrate, bezogen auf ihr Gewicht. Das erklärt zum Teil, warum Elefanten älter werden als Mäuse. Aber es reicht nicht immer als Begründung: Bei den Muscheln gibt es Arten, die werden nur ein Jahr alt, aber auch solche, die 400 Jahre alt werden können. Außerdem kann es innerhalb einer Art auch große Unterschiede geben: Während die Islandmuschel in der Ostsee nur 30 Jahre alt wird, kann sie vor Island mehr als 300 Jahre leben. Das sagt viel über die Auswirkung der Umwelt auf die Physiologie der Tiere und ihren Stoffwechsel.

Spielt auch die Reproduktion eine Rolle?

Ja. Sie bedeutet einen hohen Energieaufwand, vor allem bei wechselwarmen Organismen. Bei den kurzlebigen Jakobsmuscheln etwa verkürzt Reproduktion die Lebenszeit, weil die Energie fehlt, den eigenen Körper hinterher wieder aufzubauen. Je öfter sie sich vermehren, je früher sterben sie.

Kann man diese Erkenntnisse auf den Menschen übertragen?

Man kann es vergleichend betrachten. Beim Menschen ist der Energieaufwand für die Reproduktion stärker auf die gesamte soziale Gruppe verteilt. Das erklärt auch, warum Frauen viel länger leben, als sie Kinder bekommen können: Sie unterstützen im Alter die Nachkommen ihrer Nachkommen. INT.: MNZ

19.30 Uhr, Am Alten Hafen 26, Hörsaal des Gebäudes D, Bremerhaven