BARBARA DRIBBUSCH über KLATSCH : Der Stutenbiss der Karrierefrau
Die Weide ist groß genug. „Robusthaltung“ nennt man das in der Pferdezucht. Und im Büro?
Am Dienstag hatte ich mal wieder meine Bekannte Tine aufgesucht, die nebenberuflich eine kleine Pferdezucht betreibt. Wir saßen auf Klappstühlen unter dem Pappdach und sahen den Islandstuten auf der Weide zu. Refna und Styg konnten sich offenbar nicht einigen, wer zuerst an die Tränke darf. Refna, die Rappstute, schlug nach hinten aus, Styg keilte zurück.
„Hengste kämpfen mit den Vorderhufen, Stuten schlagen nach hinten aus“, meint Tine, „schon eigenartig.“ Ich sage nichts. Auf Tierdiskussionen habe ich heute keine Lust.
„Warum machen sich Frauen eigentlich immer untereinander so fertig?“, frage ich in den dunkel bewölkten Himmel hinein, „dazu braucht man die Männer nicht mal.“
Ich hatte zum Frühstück die Bild-Zeitung gelesen, „Wie Frauen ticken“ heißt das neue Buch von der Prominenten-Ex-Ehefrau Marie Theres Kroetz-Relin und einem Koautor, für das sie „mit mehr als 1.000 Frauen“ über „deren Gefühle, Ziele und Strategien“ gesprochen hat. Kein Wunder, dass die Bild das Ergebnis so groß herausgebracht hat. Das Resümee dieser Befragung lässt nämlich alle männlichen Leser ganz entspannt ihr Bierchen trinken. Wenn Frauen so bescheuert ticken, dann brauchen die Männer wirklich kein bisschen Angst zu haben vor weiblicher Konkurrenz im Job.
„Die Stuten zu trennen ist jedenfalls eine schlechte Lösung“, sagt Tine laut vor sich hin, „die müssen sich schon selbst miteinander bekriegen, um ihre Rangkämpfe zu klären.“ Von ihren Tierthemen ist Tine nicht leicht abzubringen. Refna und Styg schlabbern jetzt einträchtig nebeneinander Wasser aus der Tränke. Ist ja auch genug da.
Meine Gedanken kreisen um den Bild-Artikel: „Wer eine Frau beschäftigt, sollte ihr einen Teil des Gehaltes in Streicheleinheiten auszahlen. Ein kleines Lächeln, ein Kompliment (steht Ihnen gut, die Bluse!) reicht. Frauen, die so behandelt werden, gehen für ihre Firma durchs Feuer.“ Die „Schlussregel“ jedenfalls lautete: „Gleiche Qualifikation vorausgesetzt, haben Frauen einen unübersehbaren Vorteil. Sie können außer ihrem Fachwissen auch ihr Äußeres einsetzen – und sie tun es gern!“
So was kommt also raus, wenn eine Hausfrau doch noch Karriere machen will und ein Buch über das typisch Weibliche verfasst. Aber es geht heute ja auch andersherum. Die „Tagesschau“-Sprecherin Eva Herman ließ sich buchschreibend über die Einsamkeit der Karriere-Ladys aus und konvertierte dann zur Hausfrau. Immerhin kann frau heute von beiden Tätigkeitsfeldern aus starten. Vielleicht ist das ja der Fortschritt.
„Ich lese kaum noch Zeitung“, sagt Tine, nachdem ich ihr von dem Artikel erzählt habe, „nur das mit dem Grass, das hat mich aufgeregt. Dass man am Ende sogar noch mit seiner Zeit in der SS die Auflage der Autobiografie steigern kann, ist schon der Hammer. Widerlich.“
Typisch Tine, die Welt gibt ihr immer eine Ausrede, sich nur noch für Tiere zu interessieren. Auf der Weide trotten jetzt Vanadis und Fluga zur Tränke. Refna und Styg haben sich schon längst wieder in entgegengesetzte Ecken verzogen. Bei Tine stehen die Stuten den ganzen Tag draußen in der Gruppe. Es gibt keine Einzelboxen. Die Weide ist groß genug. „Robusthaltung“ nennt man das in der Pferdezucht.
„Optimal ist ein Team, das aus lauter Männern und aus einer Frau besteht“, hatte es in dem Artikel geheißen, „die eine fügt sich hervorragend ein, belebt das Team mit weiblichen Ideen und verbessert das Betriebsklima.“ „Ist das nicht eine Sauerei?“, frage ich empört.
„Also eine Pferdezucht könnte ich mit dieser Konstellation nicht betreiben“, meint Tine, „da reicht nämlich ein einzelner Hengst, aber du brauchst auf jeden Fall mehrere Stuten.“
Tine zündet sich eine Zigarette an. „Wusste gar nicht, dass du immer noch so auf diese Mann-Frau-Themen anspringst“, sagt sie, „aber du weißt doch, wie du selbst tickst. Brauchst doch keinen Artikel drüber zu lesen.“
Der Himmel ist jetzt ein bisschen klarer.
Vielleicht können wir ja doch noch raus.
Fragen an die Reiterin? kolumne@taz.de Morgen: Premiere für MARTIN UNFRIED