: Prekäre Ruhe in Kongos Hauptstadt
Internationale Diplomaten haben zwischen Präsident Kabila und Oppositionsführer Bemba eine Waffenruhe und den Rückzug ihrer Truppen in Kinshasa ausgehandelt. Ab nun soll nur noch die Polizei für Ordnung sorgen, unterstützt von UNO und EU
von DOMINIC JOHNSON
Die schweren Waffen schweigen vorerst, UN- und EU-Patrouillen dominieren das Stadtzentrum. In Kongos Hauptstadt Kinshasa ist nach den blutigen Auseinandersetzungen zwischen der Präsidialgarde und der Garde des Oppositionsführers Jean-Pierre Bemba von Sonntagabend bis Dienstagmittag wieder Ruhe eingekehrt. Internationale Diplomaten hatten am Dienstag einen Rückzug der Garde von Staatschef Joseph Kabila vereinbart, die am Montag begonnen hatte, Bembas Residenz im Stadtzentrum mit schwerer Artillerie zu beschießen. Gestern waren Bemühungen im Gange, die beiden Kontrahenten zu einem direkten Gespräch zusammenzubringen. Kabila und Bemba sollen am 29. Oktober zur Stichwahl um das Präsidentenamt antreten.
Eine „Arbeitsgruppe“ aus allen militärischen Kräften in Kinshasa, einschließlich des Generalstabs der Armee und der Polizei, der Kommandeure der Präsidialgarde, der Offiziere der Bemba-Garde, der UN-Truppe Monuc und der EU-Truppe Eufor, hatte am Dienstagabend in einer gemeinsamen Erklärung den „Rückzug aller Armeetruppen in der Hauptstadt auf ihre ursprünglichen Positionen“ verkündet. Da auf dem Papier die Garden Kabilas und Bembas längst in die Armee hätten integriert werden sollen, sind auch sie von dieser Vereinbarung betroffen. Die Polizei, „allein zuständig für die öffentliche Ordnung“, werde ab Dienstagabend patrouillieren. Kabila und Bemba sollen der Vereinbarung persönlich zugestimmt haben, wenngleich keiner der beiden sich öffentlich geäußert hat.
Gestern öffneten zum ersten Mal in dieser Woche wieder Geschäfte in Kinshasa, ein wenig öffentliches Leben setzte ein. Aber in den am stärksten von den Kämpfen betroffenen Gebieten im Stadtzentrum nutzten manche Bewohner die Ruhe, um ihre Sachen zu packen und in sicherere Gegenden zu ziehen. Nach einer ersten Bilanz der Polizei starben bei den Kämpfen mindestens 16 Menschen.
Das Misstrauen ist noch groß. Nach Überzeugung der Bemba-Soldaten sind manche der Polizisten, die jetzt in Kinshasa patrouillieren, verkleidete Präsidialgardisten. Drei Leichen getöteter Polizisten an einem Kreisverkehr im Zentrum trugen Berichten zufolge tatsächlich Uniformteile der Präsidialgarde unter ihren Polizeiuniformen.
Viele Kommentatoren vergleichen den Angriff Kabilas auf Bemba mit den Vorgängen, die die erste freie Wahl im benachbarten Angola 1992 scheitern ließen. Damals reklamierte Rebellenführer Jonas Savimbi nach dem ersten Wahlgang eine Stichwahl, während Präsident Eduardo dos Santos den Sieg im ersten Wahlgang beanspruchte. Es kam in der Hauptstadt Luanda zu Kämpfen mit tausenden Toten, Savimbi zog sich in den Busch zurück, und es folgten weitere zehn Jahre Bürgerkrieg. Der zweite Wahlgang hat bis heute nicht stattgefunden.