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Archiv-Artikel

Razzia bei brauner Hilfe

RECHTSEXTREME Die „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene“ kümmert sich seit 1979 um inhaftierte Neonazis und Rechtsterroristen. Jetzt soll der Verein verboten werden

„Sie sollen zu Kämpfern gegen das System aufgebaut werden“

INNENSTAATSSEKRETÄR FRITSCHE

VON WOLF SCHMIDT UND ANDREAS SPEIT

Die Polizei hat in neun Bundesländern Wohnungen von Funktionären und Anhängern der neonazistischen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG) durchsucht. Dabei wurden zahlreiche Unterlagen und Computer beschlagnahmt. Das Bundesinnenministerium prüft nun ein Verbot des Vereins.

Die HNG gilt mit rund 600 Mitgliedern als größte neonazistische Vereinigung Deutschlands. Gegründet wurde sie 1979 in Frankfurt – am 20. April, Hitlers Geburtstag. Seitdem bemüht sich der Verein, braunen Kameraden während der Gefängniszeit zu helfen, materiell wie ideell. „Inhaftierte Gesinnungsgenossen sollen während ihrer Haft nicht nur in der Szene gehalten, sondern weiter zu Kämpfern gegen das System aufgebaut werden“, sagte Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche am Dienstag. Als Beispiel nannte er den vor Kurzem entlassenen Rechtsterroristen Martin Wiese, der 2005 wegen eines geplanten Bombenanschlags in München verurteilt und während der Haft von der HNG unterstützt wurde (siehe taz von gestern). Der bayerische Verfassungsschutz rechnet damit, dass Wiese nun wieder eine aktive Rolle in der rechten Szene spielen wird.

Der Kontakt zu inhaftierten Neonazis wird über die „HNG-Nachrichten“ hergestellt. Hier bitten „Märtyrer der nationalen Sache“, wie sie verurteilte Rechtsterroristen und Holocaustleugner nennen, um Briefkontakt. Die Adressen der Haftanstalten werden in einer „Gefangenenliste“ bekannt gegeben. Vor Feiertagen ruft die HNG besonders auf, den Inhaftierten Briefe zu schicken. „Gerade in dieser einsamen Zeit“, heißt es, dürften die Kameraden „nicht vergessen“ werden. Zudem solle man sie ermutigen, „damit sie den Glauben an unsere Sache nie verlieren“.

Auf der „Gefangenenliste“ der HNG standen neben Wiese auch der NS-Verbrecher Erich Priebke und der Holocaustleugner Ernst Zündel. Seit Jahren bitte auch Kay Diesner über die HNG um Post. Der Neonazi verbüßt eine lebenslange Haft wegen Mordes. 1997 verletzte er einen Buchhändler aus Berlin schwer und erschoss auf seiner Flucht einen Polizisten. In den „HNG-Nachrichten“ finden sich auch Briefe von den Betreuten. „Liebe Ursula, aufrechten Heilsdank“ beginnen meist die Dankesschreiben für die Unterstützung und enden oft mit „volkstreuen Grüßen“.

Mit Ursula ist die Rechtsextremistin Ursula Müller gemeint, die seit 1991 HNG-Vorsitzende ist. Nach taz-Informationen wurde ihr Anwesen in Mainz am Dienstag ebenfalls durchsucht. Dort hatte Müller mit ihrem Mann Curt bis in die 90er Jahre auch Szeneveranstaltungen ausgerichtet, laut dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz handelte es sich um „Sonnwend- und Hitlergeburtstagsfeiern“.