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Archiv-Artikel

Das perfekt temperierte Klavier

HIPPEN EMPFIEHLT In „Pianomania“ von Lilian Frank und Robert Cibis wird gezeigt, wie ein Elite-Klavierstimmer für die Virtuosen ihre Flügel hochfrisiert

Der Film zeigt auch, was für ein hochkomplexes Instrument der Konzertflügel ist und wo bei ihm die Schrauben sitzen

VON WILFRIED HIPPEN

In diesem Film sieht man nur Männern bei ihrer Arbeit zu. Selten wird im Kino so detailliert ein Metier vorgestellt und dabei so radikal darauf verzichtet, die Biografie, Psychologie oder das soziale Umfeld der Protagonisten zu zeigen. Man sieht diese Männer, die alle zur absoluten Elite in ihren Berufen gehören, ausschließlich hochkonzentriert arbeiten – und zwar am Piano. Bei den Spitzenpianisten wie Lang Lang, Alfred Brendel und Pierre-Laurent Aimard ist das nichts Besonderes. Wie sie sich bei den Proben am Instrument abarbeiteten und schließlich bei der Vorführung mit den bekannten großen Gesten all die Nuancen der Kompositionen aus den Flügeln herauslocken, wird immer wieder gerne gezeigt und gesehen. Aber hier sind die Virtuosen einmal nur die Nebenfiguren, und im Mittelpunkt des Films steht der Klavierstimmer.

Nun ist dies eine etwas respektlose Bezeichnung für die Arbeit von Stefan Knüpfer, der sich offiziell Cheftechniker von Steinway & Sons in Wien nennen darf, aber grundsätzlich besteht sein Job darin, Pianos zu stimmen. Dies hat allerdings kaum noch etwas damit zu tun, dass etwa eine A-Saite genau mit der Frequenz von 440 Hertz schwingt. Hier geht es viel mehr darum, dass nicht nur jeder Virtuose sondern auch jedes Piano eine eigene Persönlichkeit hat, und Knüpfers bemüht sich, die beiden harmonisch zusammenzuführen. „Der Ton atmet nicht“, beklagt sich etwa Pierre-Laurent Aimard und dann muss Knüpfer eine Lösung suchen und vielleicht ein wenig am Filz des Anschlaghammers einer einzelnen Saite herumzupfen. Für eine CD-Einspielung von Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“ verlangt Aimard schon ein Jahr vor dem Aufnahmetermin von ihm, bei den einzelnen Stücken solle der Flügel mal wie ein Cembalo und mal wie eine Orgel klingen. Knüpfer beginnt ein eigenes kleines Forschungsprojekt, um irgendwie diese Klangnuancen zu erreichen und dabei kommt er zu solch merkwürdigen Lösungen wie auf dem Piano angebrachte Glasflügel, die an Spoiler bei Autos erinnern.

Interessant ist dabei die Besessenheit, mit der hier um den perfekt Klang gerungen wird. Nebenbei kommen einem diese Männer dann doch erstaunlich nah, den sie sind bei ihrer Arbeit so leidenschaftlich und ganz bei sich wie wohl sonst kaum. Sogar die Pianos lernt man schätzen und wenn der altgediente und gern gespielte „109“ (die Flügel von Steinway werden nach ihren Produktionsnummern benannt) nach Australien verkauft wird, fragt man sich mit Stefan Knüpfer bang, ob der neu gekaufte „245“ ein ähnlich lebendiges Temperament haben wird. Der Film zeigt auch, was für ein hochkomplexes Instrument der Konzertflügel ist und wo bei ihm die Schrauben sitzen. Einmal kriechen die Kameras buchstäblich in das Instrument hinein und man sieht, wie und wo genau der Ton entsteht. Bei einem Klavierkonzert von Mozart fiel den Filmemachern dagegen nichts anderes als eine Allerwelts-Bebilderung mit Tropfen und Wellen im Wasser ein, aber dies bleibt der einzige filmische Misston.

Bei der ewigen Suche nach dem idealen Klang kommen die Filmemacher natürlich auch an die Grenzen ihrer Technik. Die Tonqualität in den Kinos ist extrem unterschiedlich und auch die digitale Tonabmischung muss ein Kompromiss sein, der den hohen Ansprüchen von Knüpfler und den Pianisten nur schwer gerecht wird. Doch Lilian Franck und Robert Cibis haben sich der Herausforderung gestellt, indem sie alle Sequenzen in bestmöglichem Surround-Ton auf bis zu 90 Tonspuren aufnahmen und länger am Tonschnitt als an der eigentlichen Montage arbeiteten. Viel besser kann ein Film nicht klingen.