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Archiv-Artikel

Der Schleichwerber

Der Neusser Landrat Dieter Patt hilft der größten Zeitung der Region bei der Abonnentenwerbung

Der Herr Landrat als Mitglied einer Drückerkolonne? Ganz so weit geht Dieter Patt (CDU) nicht. Aber doch schickte er am Mittwoch an alle Familien seines Kreises einen Brief, in dem er recht offen für die auflagenstärkste Zeitung der Region warb. Vordergründig ging es um die Einführung einer Familienkarte. Damit können Eltern mit mindestens einem nicht volljährigen Kind umsonst ins Museum oder bekommen bei ausgewählten Bäckern 10 Brötchen für 1,70 Euro. Eigentlich nicht schlecht. Aber in der Fußnote des Briefes machte er auf eine beigefügte Reklame aufmerksam. „Diesem Schreiben ist ein unverbindliches Abonnement der Neuss-Grevenbroicher Zeitung beigefügt.“

Einen sehr viel verbindlicheren Eindruck macht dann die Medienkooperation auf der Rückseite. Der Antrag für die Familienkarte kann zwei Mal unterschrieben werden. Links bestätigt man die Richtigkeit der gemachten Daten, rechts willigt man ein, dass jene Daten der Neuß-Grevenbroicher Zeitung (NGZ) übermittelt werden. Inwieweit die rechte Unterschrift notwendig ist, um an die Familienkarte zu kommen, wird nicht explizit erklärt.

Harald Vieten, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Kreis, findet das nicht verwerflich. Nein, eine wirtschaftliche Unterstützung einer Zeitung seitens des Kreises sei nicht gegeben. Nein, es wurde nicht einseitig eine der beiden Lokalzeitungen bevorzugt, sondern die NGZ habe das für die Familien bessere Angebot gemacht. Nein, der Datenschutz werde nicht verletzt. Obwohl dies zwar im Anschreiben nicht ersichtlich ist, würden auch diejenigen eine Familienkarte erhalten, die mit der Weitergabe ihrer Adressen nicht einverstanden sind. Auch auf der anderen Seite hat man keine Bedenken gegen den Deal. Der Verlagsleiter des Neusser Zeitungsverlages, Stefan Rinnensland, sieht keine Beeinträchtigung der journalistischen Unabhängigkeit und verweist wie Vieten auf den Kooperationsvertrag.

Wer die NGZ regelmäßig liest, weiß, dass dort eine wohlwollendere Berichterstattung über den Landrat in Folge der Medienkooperation nicht zu erwarten ist. Und zwar aus dem Grund, weil sie nicht noch wohlwollenderer sein kann. Honnecker war im Neuen Deutschland nicht viel öfter zu bewundern als Dieter Patt in der NGZ. Patt als Landrat, Patt als Künstler, Patt als Popstar. Ob er seiner Duzfreundin Shakira auch schon ein NGZ-Abo aufschwatzen konnte? LUTZ DEBUS