große koalition : NRW-SPD muss protestieren
Eigentlich ist die NRW-SPD seit gut einem Jahr in der Opposition. Doch die große Koalition in Berlin zwingt die müde alte Ex-Regierungspartei wieder zum gestalten. Die Regierungsbeschlüsse zur Unternehmenssteuer- und Gesundheitsreform sind so unsozialdemokratisch und unpopulär, dass sich die nordrhein-westfälischen Genossen einmischen müssen in die Bundespolitik. Die Regierung Merkel/Müntefering provoziert Protest und Kritik geradezu.
KOMMENTAR VON MARTIN TEIGELER
Nach dem Ende der Ära Schröder ist die von der Rheinruhr-SPD erhoffte Stabilisierung ausgeblieben: In Umfragen liegt die Partei ziemlich konstant unter 30 Prozent. Zudem missfällt die Politik der Großkoalition dem Parteivolk. Mit einer CDU-Kanzlerin Angela Merkel wird sich der harte Kern der Genossenschaft wohl niemals anfreunden. Und das NRW-SPD-Regierungspersonal in Berlin kann auch kein neues Vertrauen aufbauen. Auf das Scheitern der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt aus Aachen müsste man eigentlich wetten – wenn private Wettbüros denn erlaubt wären. Und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ist kurz nach der Sommerpause offenbar schon wieder urlaubsreif. Franz Müntefering scheint vollends entrückt zu sein – angeblich soll er jüngeren Parteifreunden zu der Schnapsidee geraten haben, einen „Andenpakt“ à la CDU zur Karriereförderung zu gründen.
Vor diesem Hintergrund sind die neuen regierungskritischen Aktivitäten der NRW-SPD auch eine Vorsichtsmaßnahme. Der Mitgliedschaft wird suggeriert: Seht her, wir tun was. Wir versuchen auf diese verkorkste große Koalition in Berlin einzuwirken. Falls die sozialdemokratischen Parteimitglieder in naher oder mittlerer Zukunft offen gegen Mehrwertsteuererhöhung, Gesundheitschaos und Unternehmenssteuersenkung rebellieren sollten, kann die NRW-SPD ihre Vorratsbeschlüsse aus der Schublade ziehen. Wenn die große Koalition irgendwann zerbricht, ist der größte Landesverband also immerhin darauf vorbereitet.