: Standards der Aufklärung
Die Akademie der Künste wollte mit einer Diskussion über „Heine, Handke und die Folgen“ den eigenen diskursiven Spielraum neu festlegen. Dabei waren im Streit um Medien- oder Autorenschelte die Positionen zu Recht erwartbar
Erst las der Schauspieler Ulrich Matthes aus Heines Wintermärchen. „Ein neues Lied, ein besseres Lied. / O Freunde, will ich euch dichten! / Wir wollen hier auf Erden schon / Das Himmelreich errichten.“ Das war schon mal sehr schön.
Dann erzählte der Präsident eine fast ähnlich erbauliche Geschichte. Mitten in der Aufregung um Peter Handke und den Heine-Preis sei er, so erklärte Klaus Staeck den Hintergrund der aktuellen Veranstaltung, von einer Journalistin nach „einem Satz“ gebeten worden. Auf dieses „Einen-Satz-Sagen“ wolle er sich aber nicht mehr einlassen. Muss er ja auch nicht, seitdem er sowieso den Resonanzraum der Berliner Akademie der Künste zu bespielen hat. Nun sollen die „Grundfragen“ also in der Akademie vor Publikum mit vielen Sätzen besprochen werden. Das taten schließlich Volker Braun, Matthias Langhoff, Juli Zeh und Oskar Negt am Mittwochabend im Rahmen der neuen „Akademiegespräche“.
Schon erstaunlich, wie sehr manche Debatten ziehen. Gerammelt voll war der große Saal im alten Gebäude der Akademie im Tiergarten. Kann gut sein, dass neben der eigentlich schon abgeklungenen Aufregung um die verhinderte Preisvergabe an Peter Handke auch der aktuelle Fall Grass für Interesse sorgte. Er wurde in einem kürzeren zweiten Teil gleich mitdiskutiert. Schließlich ging es im Oberthema um den Künstler und die Öffentlichkeit – da darf GG zur Zeit nicht fehlen.
Aber auch bei Handke und Heine war noch einiges drin. Das Podium war gut ausgewählt. Volker Braun verteidigte ebenso wortgewaltig wie undifferenziert den Künstler vorm „Strudel der Öffentlichkeit“: Dass in dieser „Zeit ungeheuerster Kriege dieser Einzelne zum Schreckensmann des Feuilletons wurde, ist eine Idiotie der Urteilskraft, eine Verwahrlosung der Wahrnehmung“, sagte er. Matthias Langhoff schlug noch etwas grundsätzlicher in die Kerbe der Medienschelte: „Ich brauche überhaupt keine Presse.“ Wirklich Handke verteidigen wollte er zwar nicht. Aber die Vereinheitlichung von Meinungen durch Medien findet Langhoff wohl noch weniger verteidigenswert. Dagegen konnte Negt dann gut den Aufklärer geben und Handke jegliches politisches Urteilsvermögen absprechen. Und Juli Zeh gab sehr gekonnt die Durchblickerin. Wer sich wie Handke so lange und so vehement in die Öffentlichkeit begebe, dürfe sich nicht aufregen, wenn er auch bei der Milošević-Beerdigung öffentlich wahrgenommen und dafür kritisiert werde, sagte sie.
Das sind so ungefähr die Standardpositionen zu Handke. Insofern brachte die Veranstaltung in der Akademie nichts wirklich Neues. Aber solche Gesprächsrunden funktionieren eh oft am besten, wenn der diskursive Rahmen schon vorher klar ist. Immerhin war es eine lebendige Diskussion. Und man konnte zur Kenntnis nehmen, wie dezidiert sich der Akademiepräsident Klaus Staeck in der Diskussionen gegen die vom Akademiemitglied Volker Braun vorgetragenen Künstlerverbrämungen wandte. Handke sei kein vom Feuilleton Getriebener, Milošević sei nun mal ein Täter, und auf die Medien wolle er als Transportmittel seiner Botschaften nicht verzichten, so der Präsident. Bei seinem Vorgänger Adolf Muschg hätte das alles sicherlich nicht so klar geklungen.
Grass hat schon eine feste Zusage für ein Akademiegespräch im Oktober gegeben. Da wird es sicher wieder zu Medienschelte kommen. Und es wird sicher richtig voll. DIRK KNIPPHALS