: Sie fragen – wir antworten
Unser Leser Bernd Gonschior fragt: Liebe taz-Redaktion, gibt es einen tieferen Grund, weshalb unverhältnismäßig häufig von Mixed Martial Arts berichtet wird? Vielleicht könnt ihr mir mit ein paar Sätzen näher bringen, warum dieser menschenverachtenden Sportart überhaupt Raum eingeräumt wird. Mir fehlt dafür jedes Verständnis … und als Krönung die taz.lab 2014 MMA-Werbung(?): „taz.lab 2014 ist rauflustig – Die Lust am Kämpfen“, das würde ich locker in die krankhafte Ecke schieben.
Lieber Bernd Gonschior, seit 2009 beschäftige ich mich mit dem Thema. Damals war die Ultimate Fighting Championship (UFC) erstmals mit einer Veranstaltung in Deutschland, und in der Öffentlichkeit wurde heftig debattiert. Ist das menschlicher Hahnenkampf? Welche „niederen“ Instinkte werden bedient? Das wollte ich genauer wissen und versuche seither im Kontakt mit Kämpfern, Trainern, Zuschauern, Veranstaltern diese Fragen zu beantworten. Warum übt jemand diesen Sport aus, wer schaut sich das?
Erste Gespräche mit Aktiven zeigten: Meine Vorstellung von enthemmter Aggression brutaler Schlägertypen haben mit diesen Menschen und ihrer Einstellung zum Kämpfen nichts zu tun. Etwa Rich Franklin, damals ein Top-Kämpfer der UFC: Bevor er Profi wurde, war er Mathematiklehrer. Aus Fitnessgründen machte er Kampfsport und bestritt einen ersten Wettkampf. Die Vielfalt des Geschehens, technisch wie psychologisch, begeisterte ihn, er blieb dabei.
Bei einem Interview mit Andreas Stockmann, bildender Künstler und Pionier des MMA in Deutschland, stieß ich auf eine faszinierende Lebensgeschichte. Auch traf ich die US-Amerikanerin Danielle West, die nach bewegter Kindheit als Lebenskünstlerin einen IT-Job in London fand, gleichzeitig aktiv MMA betrieb und inzwischen einen Roman veröffentlicht hat. Interessante Menschen!
Ich begriff: MMA ist ein technisch und körperlich anspruchsvoller Sport, der viel Training erfordert. Ja, es wird getreten, geschlagen, gewürgt und gehebelt. Ziel: Den Kampf gewinnen. Und im Anschluss: Herzliche Umarmung des Gegners.
Je mehr ich kennengelernt habe, desto unverständlicher wurde mir der Vorwurf der „Menschenverachtung“. Insofern hat mich die öffentliche Ächtung des Sports in Deutschland nur darin bestärkt, darüber zu schreiben.
Ich verstehe, wenn jemand mit Kampfsport nichts zu tun haben möchte, finde aber schon, dass eine neue und schnell wachsende Sportart ein Thema für Journalismus ist. Da will ich genau hinsehen und nicht nur Vorurteile bestätigen.
Mit herzlichen Grüßen, BERND PICKERT, AUSLANDSREDAKTEUR DER TAZ
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