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Archiv-Artikel

Koalition streitet um Privatkassen

Kanzlerin kritisiert ersten Gesetzentwurf. Ministerin Ulla Schmidt rudert schon zurück

BERLIN taz/ap/afp ■ Knapp zwei Monate nach den Grundsatzbeschlüssen zur Gesundheitsreform sorgt ein erster konkreter Gesetzentwurf für neuen Streit innerhalb der großen Koalition. „Ich habe den Eindruck, der erste Gesetzentwurf auf der Arbeitsebene entspricht noch nicht den Eckpunkten, wie wir sie vereinbart haben“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern in einem Fernsehinterview.

Der Entwurf aus dem Hause von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sah laut Medienberichten vor, die private Krankenversicherung künftig in einen Basis- und einen Zusatztarif aufzuspalten. Der Basistarif entspricht nach den Plänen im Wesentlichen den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Auf junge Privatversicherte, die bislang deutlich weniger bezahlen als gesetzlich Versicherte, kämen Beitragssteigerungen von bis zu 36 Prozent zu. Außerdem soll auch zwischen den Privatkassen ein Finanzausgleich eingeführt werden.

Angesichts der Kritik ging Schmidts Sprecher gestern bereits auf Distanz zu der Vorlage aus dem eigenen Ministerium. Es handele sich um eine allererstes Papier von Fachbeamten, erklärte Vater. „Worüber derzeit in den Medien berichtet wird, ist mittlerweile bereits überholt. Das erwähnte Arbeitspapier kann folglich weder in Regierung noch in Koalition abgestimmt sein.“ Das Papier sei nur der Beginn eines normalen Prozesses. Dies gelte auch für die Passagen über die private Krankenversicherung.

Empfindliche Einbußen kämen nach dem Entwurf auf die Ärzte zu, die für Privatversicherte nach dem Basistarif keine erhöhten Honorarsätze mehr abrechnen könnten. Daher kritisierte der Vorsitzende des Ärzteverbands Hartmannbund, Kuno Winn, die Pläne heftig. Wer das Heil in der Verstaatlichung der Systeme suche, der werde keine Chance ungenutzt lassen, Leistungen zu nivellieren und Wettbewerb zu strangulieren, kritisierte er mit Blick auf die große Koalition.

Um ihren Geldbeutel sorgen sich auch die Zahnärzte. „Die Gleichmacherei im Gesundheitssystem hat einen neuen Höhepunkt erreicht“, erklärte der Vorsitzende des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte, Karl-Heinz Sundmacher. Statt die Privatkassen zu zerschlagen, sollten besser die gesetzlichen Kassen privatisiert weren. Solange im Gesundheitsministerium die Ideologie von staatlicher Lenkung und Planwirtschaft vorherrsche, werde es kein stabiles Gesundheitswesen in Deutschland geben.

Naturgemäß gingen gestern auch die Privatkassen auf die Barrikaden. Der politische Wille aus dem Gesundheitsministerium sei, „die privaten Krankenkassen zu zerstören und insgesamt den staatlichen Einfluss im Gesundheitswesen deutlich zu erhöhen“, sagte gestern der Direktor des Verbands der privaten Krankenversicherung, Volker Leienbach.