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Archiv-Artikel

„Lernen, mit Geld umzugehen“

Jugendliche machen mehr Schulden. Daher müssen sie sich früher mit Geld beschäftigen – in Schulen. Das fordert Sybille Volkholz, Bildungsexpertin der Berliner Kaufleute

taz: Frau Volkholz, immer mehr junge Leute verschulden sich. Können Jugendliche nicht mit Geld umgehen?

Sybille Volkholz: Den Jugendlichen fehlt einfach das Wissen, mit Geld umzugehen. Sie müssen schon früh lernen, ihre Ausgaben richtig zu kalkulieren. In den Schulen wird das nicht systematisch eingeplant. Wirtschaftliche Fragen werden viel zu spät behandelt. Und der gesellschaftliche Druck auf die Jugendlichen wächst: Sie glauben, dass sie die neusten Handyklingeltöne und Markenklamotten brauchen, und können nicht abschätzen, was sie sich leisten können.

Wie lässt sich denn dann verhindern, dass Jugendliche in die Schuldenfalle geraten?

Die Unternehmen sollten sich dazu verpflichten, mit Kindern, die nicht geschäftsfähig sind, keine Geschäfte abzuschließen. Diese Sicherung muss es geben, um die Kinder beim Aufwachsen verantwortlich zu unterstützen. Eltern und Schulen müssen außerdem Strategien entwickeln, um Kinder im Umgang mit ihrem Taschengeld kompetenter zu machen. Die Kinder haben einfach zu wenig Gelegenheiten, zu lernen, mit Geld umzugehen.

Der Bankenverband fordert deswegen die Einführung eines eigenen Schulfachs „Wirtschaft“.

Die Forderung danach ist zwar nachvollziehbar, aber nicht sinnvoll. Die schulischen Lehrpläne orientieren sich zu wenig an der Lebensrealität der Jugendlichen. Das kann man nicht ändern, indem man für jeden Bereich ein neues Fach einführt. Andere Bereiche, die nicht weniger wichtig sind, würden dann auch den Anspruch auf ein eigenes Schulfach erheben. Das halte ich nicht für umsetzbar.

Was schlagen Sie stattdessen vor?

Wir brauchen Lernfelder für verschiedene Bereiche des Lebens, die stärker an der Lebenswelt der Kinder orientiert sind und sie befähigen, ihr Leben richtig zu führen. Da müssen die Schüler auch lernen, wie sie sich als Verbraucher und später als beruflicher Akteur in der Wirtschaft verhalten. In den Lernfeldern muss es also sowohl um wirtschaftliches Verhalten als auch um Berufsorientierung gehen.

Wie funktionieren solche Lernfelder?

Bestimmte Projekte werden in Langzeitepochen angeboten. Ein Beispiel dafür sind Schülerfirmen, in denen die Jugendlichen lernen, wie man ein Unternehmen selbst aufbaut. So lernen die Schüler mit Geld umzugehen. Häufig gibt es auch Partnerprojekte, in denen Schulen und Unternehmen zusammenarbeiten.

Besteht da nicht die Gefahr, dass nur die Wirtschaft von der Kooperation profitiert?

Die Wirtschaft hat das Recht, als gesellschaftlicher Faktor in die Schule einbezogen zu werden. Ökonomische Kompetenzen zu lernen und ein offenes Verhältnis zur Ökonomie zu pflegen finde ich richtig und wichtig. Auch Jugendliche haben daran ein Interesse. Aber natürlich muss darauf geachtet werden, dass das Interesse der Wirtschaft nicht Überhand gewinnt. Es ist Aufgabe der Schule und auch der Politik, die die Rahmenpläne festlegt, darauf zu achten, dass das nicht passiert. INTERVIEW: SOPHIE HAARHAUS