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Archiv-Artikel

Gesucht wird ein Terror-Netzwerk

Das Kölner Studentenwohnheim von Dschihad H. ist von Polizei und Journalisten umlagert

DÜSSELDORF taz ■ Dschihad H. lebte betont unauffällig. Sein Appartement im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, das Bundeskriminalamt (BKA) und Polizei in den vergangenen Tagen so akribisch durchsucht haben, ist so eng, dass sich die Fahnder während der Razzia immer wieder in ihren Autos ausruhten, um sich nicht gegenseitig im Weg zu stehen. Das Studentenhaus mit seinen Mini-Wohnungen ist seit der Polizeiaktion von Journalisten belagert. Die Anwohner reagieren schon genervt. „Das ist Hausfriedensbruch, was Sie da machen!“, ruft einer dem Fotografen zu, der versucht, in das Gebäude zu kommen.

Nach seiner Festnahme in Tripolis brennen die deutschen Ermittler jetzt darauf, Dschihad H. endlich befragen zu können: Was und wer steckt hinter den versuchten Anschlägen von ihm und seinem mutmaßlichen Komplizen Youssef Mohamad E. H.?

Ein Hinweis darauf könnte die 2003 verbotene „Islamische Partei der Befreiung“ sein. Die soll in Nordrhein-Westfalen nach Angaben des Verfassungsschutzes nach wie vor mit 70 Personen aktiv sein. Konspirative Treffen gebe es trotz des behördlichen Verbots – was eine Erklärung für die Marathon-Razzia in der Peter-Bauer-Straße liefern könnte: Die „Fundgrube für Kriminalisten“ auf 18 Quadratmetern Wohnfläche könnte so manchen Fingerabdruck von eventuellen Verbündeten liefern.

Ob in Essen, Mülheim, Oberhausen, Köln, Hamburg oder Kiel: Noch immer suchen die Fahnder verbissen nach möglichen Spuren für ein radikal-islamistisches Netzwerk, das hinter den zwei jugendlichen Attentätern stecken könnte. Zumindest einen dritten Beteiligten muss das BKA noch ausfindig machen, um den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung aufrecht erhalten zu können. Zur Zeit ist indes nicht einmal bekannt, was die beiden zusammengebracht hat: Kreuzten sich ihre Wege erst in der Bundesrepublik oder bereits vorher? Und was hat sie radikalisiert?

Eine Hypothese lautet, das sie sich aufgrund von persönlichen Erlebnissen zu ihrer Tat entschlossen: Youssef Mohammad E. H. soll seinen Bruder bei einem israelischen Bombenangriff verloren haben. Der Name von Dschihad H. taucht im Internet auf einer Seite des palästinensischen Widerstands auf: Am 9. Oktober 2004 sollen demnach bei einem Angriff des israelischen Militärs mehr als 76 Menschen getötet und 300 Menschen verletzt worden sein. Unter den als Verletzten dokumentierten Namen findet sich auch der Dschihad H.s.

Vielleicht haben sie sich aber auch erst in Deutschland radikalisiert. Als Beleg hierfür könnte die Teilnahme Youssef Mohammad E. H.s an einer Demonstration gegen die Mohammed-Karikaturen im Februar dieses Jahres in Kiel dienen. Dschihad H. soll laut „Bild“-Zeitung an mehreren Demonstrationen, unter anderem in Düsseldorf, gegen den Libanon-Krieg teilgenommen haben. Belegt ist das jedoch bisher nicht.

PASCAL BEUCKER, FRANK ÜBERALL