portrait : Der streitbare Landschaftspfleger
„Vorkämpfer für Naturschutz“, „Juwelier in Fernost“, „Rufer in der Wüste“ – laut und gewaltig kommen die Attribute daher, die Michael Succow zugedacht werden. Dabei ist der Alternative Nobelpreisträger ein Mann der leisen Töne. Rummel um seine Person verabscheut der 65-Jährige. Er muss ihn aber auch nicht mehr aushalten: Heute hat der Botaniker seinen letzten großen offiziellen Auftritt. Die von ihm initiierte Europäische Renaturierungs-Konferenz will eine „Greifswalder Erklärung“ verabschieden – quasi Succows Vermächtnis. „Ich habe dem Gouverneur von Kamtschatka vorgeschwärmt, wie toll die Natur bei ihm zu Hause ist“, erzählt Succow. Zuerst habe sich der Gouverneur veralbert gefühlt. Hatten ihm Fremde doch immer nur erklärt, dass Straßen, Werke, Investitionen fehlten – und beiläufig erwähnt, potente Geldgeber zu sein. Der Gouverneur lud Succow in die Sauna ein. „Wir haben drei Tage lang bei Sekt, Wodka und Kaviar über Natur philosophiert“, erinnert der sich. Seitdem stehen große Teile der russischen Halbinsel unter Naturschutz, einiges ist sogar Weltnaturerbe der Unesco. Das ist das Michael-Succow-Prinzip.
Auf sein Konto gehen 500 Quadratkilometer Walnussbaumwald am Westhang des Tienschan, ebenso das Lena-Delta im Norden Russlands, Unesco-Biosphärenreservate in Kirgisien, Karelien, Kasachstan, Georgien, Aserbaidschan, Usbekistan, der Mongolei. In China war Succow Gastprofessor, im Iran Regierungsberater. Und auch dem Botanischen Institut der Universität Greifswald hat er zu Weltruhm verholfen.
Succows Karriere war eigentlich nach dem Prager Frühling zu Ende: Weil der junge Dozent nicht so will, wie er soll, wird er in die Produktion verbannt. Allerdings sorgt seine Promotion über die nordmecklenburgischen Flusstalmoore dann für derartigen Wirbel in der Wissenschaft, dass er 1974 begnadigt wird.
Im Jahr 1987 geht er in die Politik, wird Volkskammerabgeordneter, dann auf Drängen der Bürgerrechtsbewegung stellvertretender Umweltminister. Er nutzt die Gunst der Stunde, um fünf Prozent der DDR unter Naturschutz zu stellen. Succow wird für diesen Coup 1997 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Vom Preisgeld gründete er die Succow-Stiftung (www.succow-stiftung.de).
„Mein Rat ist hier in Deutschland nicht gefragt“, sagt Succow, der sich als Landschafts- und Naturschützer oft genug gewerbepolitischen Interessen entgegengestellt hat und dafür seit Mitte der 90er-Jahre heftig angefeindet wird. Anderswo ist er ein Star. Die kirgisische Uni Bischkek machte ihn gerade zu einem ihrer drei Ehrenprofessoren. Ein anderer heißt Dschingis Aitmatow. NICK REIMER