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Archiv-Artikel

„Das Management hat versagt“

ÖLPEST Auch nach der Veröffentlichung des BP-Berichts zur „Deepwater Horizon“ ist für den Geologen Wilhelm Dominik klar, dass der Konzern die Gesamtverantwortung für das Unglück trägt

Wilhelm Dominik

■ 56, leitet das Fachgebiet Explorationsgeologie im Institut für Angewandte Geowissenschaften der TU Berlin. Er ist Experte für die Bewertung von Ölvorkommen.

INTERVIEW HEIKE HOLDINGHAUSEN

taz: Herr Dominik, in dem Mittwoch veröffentlichten Bericht zur Ölkatastrophe im Golf von Mexiko schiebt BP seinen Subunternehmern einen großen Teil der Verantwortung zu. Zu Recht?

Wilhelm Dominik: Natürlich gab es ein komplexes technisches und menschliches Versagen, auch von den Dienstleistern. Aber die Gesamtverantwortung liegt auf Seiten des Betriebsführers, der BP. Die kann der Konzern auch nicht zurückweisen.

Die fehlerhafte Zementierung der Bohrung, die maßgeblich zum Unglück beitrug, hat Halliburton vorgenommen…

Die sind ihrer Verantwortung insoweit gerecht geworden, als dass sie vor Unsicherheiten gewarnt haben. Die Verhärtungszeiten von Zement auf 5.500 Meter Tiefe kann man im Labor nicht 1: 1 nachvollziehen. 580 Bar Druck im Reagenzglas zu erzeugen reicht nicht aus, um exakte Prognosen der komplexen Bedingungen in der Tiefe abzugeben. Darum hätte das Bohrloch nach dem Zementieren im Lagerstättenbereich noch einmal vermessen werden müssen – doch BP hat die Vermessungsingenieure am Morgen der Havarie nach Hause geschickt. Hätten man sich das Bohrloch noch mal angeschaut, wäre die Geschichte wohl anders ausgegangen.

BP spricht von „komplexen Fehlerketten“. Wie genau weiß man eigentlich, passiert ist?

Die Kenntnisse sind noch immer lückenhaft, die Untersuchung des US-Justizministeriums steht ja noch aus. Und wenn BP sich selber untersucht, fällt es dem Konzern natürlich leicht, zu einem moderaten Schluss zu kommen. Klar ist aber: BP hat extrem auf die Kosten gedrückt. Da hat das Management versagt, denn dieses hätte bei einer so kritischen Bohrung bremsen müssen. Stattdessen hat es die eigenen Leute und die Zulieferer unter Druck gesetzt, schnell fertig zu werden. Aus den Anhörungen vor dem US-Kongress wissen wir, dass zum Beispiel Mitarbeiter von Transocean vor Sicherheitslücken gewarnt haben. Darüber hatte sich der zuständige BP-Supervisor hinweggesetzt.

Der Bericht befasst sich mit dem Unglückstag, aber nicht mit der Zeit davor. Warum nicht?

Tja, warum nicht? Natürlich warten jetzt alle beteiligten Unternehmen darauf, dass die Klagen und Schadenersatzforderungen formuliert werden. Dafür wollen sie sich in eine gute Position bringen. Für BP heißt das: Sie zeigen auf die Versäumnisse der Zulieferer und Dienstleister während des Unglücks. Die gab es ja auch. Nur hatte sich schon in den Wochen und Monaten davor herausgestellt, dass die Bohrung extrem kritisch war. Die Erkundungsbohrung hätte niemals für eine spätere Produktion vorbereitet werden dürfen. Man hätte die Bohrung verschließen und aufgeben müssen. Um ein Ölfeld sicher zu erschließen, muss man sich nach der erfolgreichen Exploration in Ruhe hinsetzen und einen Entwicklungsplan erarbeiten. Das braucht bis zur Produktionsaufnahme zwei bis drei Jahre Zeit.

Wie sicher kann man eine Bohrung denn machen?

Die Bohr- und Produktionstechnik ist zu 99,9 Prozent sicher. Aber ein gewisses Risiko bleibt. Erst im Schadensfall zeigen sich die großen Defizite in der Havarietechnik. Wenn ein Unglück passiert, hantieren die Unternehmen mit teilweise veralteter und unangepasster Technik. Das darf nicht sein. Die Politik muss viel schärfere Vorgaben machen und präzisere Szenarien über mögliche Unfälle und ihre Bekämpfung verlangen als bisher.