: Modisches Kreuz, politisches Kopftuch
Ab Februar dürfen Schleswig-Holsteins Lehrer weder Kreuz noch Kopftuch oder Kippa tragen. Christliche Kirchen hadern mit dem Beschluss und sehen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit in Gefahr. Zustimmung von der Türkischen Gemeinde
von Kaija Kutter
Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) sah wohl keinen anderen Weg: Wenn sie Lehrern wie der seit Februar in Rendsburg unterrichtenden Referendarin Gilek Y. verbieten will, mit Kopftuch ans Pult zu treten, muss sie ein generelles Verbot religiöser Symbole verhängen. Anderes verstieße gegen das Gleichheitsgebot, das hatte erst im Juli das Verwaltungsgericht Stuttgart einer Lehrerin zugestanden, die ihr Kopftuch ablegen sollte, obwohl im Ländle Nonnen in Ordenstracht unterrichten.
Trotzdem müssen evangelische und katholische Kirchen im Norden jetzt ganz schön schlucken. „Lehrkräfte und Betreuungspersonen haben in der Schule auch durch ihr äußeres Erscheinungsbild religiöse und weltanschauliche Neutralität zu wahren“, steht im Gesetzentwurf, den Erdsiek-Rave zum Schulstart publik machte, und der zum nächsten Winterhalbjahr in Kraft treten soll. Eine Ausnahme gilt nur für den Religionsunterricht und für private Schulen.
Ob nun jede Lehrerin und jeder Lehrer auch das kleine goldene Kreuz an der Halskette, wie es oft zur Konfirmation geschenkt wird, im Schmuckkasten lassen müssen, hängt von ihrer religiösen Überzeugung ab. „Wenn es sich bei der Kette nur um modischen Schmuck handelt, ist es tolerabel“, sagt Ministeriumssprecherin Beate Hinse. „Wenn damit erkennbar eine religiöse Botschaft oder Bekundung verbunden ist, fällt es unter das Verbot.“ Die Kategorie „modisch“ gilt aber nicht für die Kopftücher der Musliminnen. Hinse: „Hier gibt es keine zwei Varianten. Kopftücher, so wie sie getragen werden, sind das klare Symbole einer religiösen Botschaft.“
In den Kirchenbüros spricht mancher unter der Hand von „Wahnsinn“. Hamburgs Weihbischof Hans-Jochen Jaschke erklärte das generelle Verbot für „nicht angemessen“ und warnte, dass „öffentliche religiöse Kultur verloren geht“. Der Lernstoff vieler Fächer sei so mit der christlichen Tradition verbunden, „dass eine Verbannung kaum sinnvoll oder möglich scheint“, erklärte auch der Kieler Bischof Hans Christian Knuth. Knuth, der Vorsitzender der Nordelbischen Kirchenleitung ist, sieht das „Grundrecht auf persönliche Meinungsfreiheit“ bedroht und hatte sich bereits im Vorfeld auch gegen ein reines Kopftuchverbot gewandt. Statt dessen sollte es eine „Entscheidung im Einzelfall“ geben, wenn durch ein religiöses Symbol der Schulfriede gefährdet wird. Wann dies eintritt, „müsste der Schulleiter entscheiden“, erläutert sein Sprecher Heiko Naß.
Die evangelische Kirche sieht praktische Probleme. So wären viele Pastoren an Schulen tätig und würden dort neben Religion andere Fächer unterrichten oder Aufsicht machen. Naß: „Heißt dies, dass die nach jeder Stunde ihr Kreuz ablegen müssen?“
Auch an der CDU-Basis gibt es Protest, obwohl der Koalitionspartner zum Entwurf steht. Europa sei durch „jüdisch-christliche Tradition geprägt“, sagte Frauenunions-Chefin Karin Wiedemann. Einer Christlichen Partei stehe es zu, „die Werte dieser kulturellen Wurzeln entschlossen zu pflegen“. Allerdings findet sie das Kopftuchverbot korrekt und möchte es auch auf Schülerinnen übertragen.
Eindeutige Zustimmung für Erdsiek-Raves Vorstoß kam gestern von der Islamischen Gemeinschaft in Kiel. „Wir finden es gut“, sagt Sprecher Achmedt Tavas. „Es ist wichtig und richtig, dass es jetzt keine Kopftuchvorschrift, sondern eine Kleidervorschrift für die Schule gibt“, sagt auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holsteins, Cebel Küçükkaraca, der hier exakt seinen Vorschlag berücksichtigt sieht. Er hält das Tragen der Kopftücher bei vielen Frauen für eine „kulturelle Sache“. Im Libanon zum Beispiel trügen Christinnen und Musliminnen Kopftuch. Davon sei aber das als politisch-religiöses Symbol getragene Kopftuch zu unterscheiden, äußerlich erkennbar daran, dass es fester gebunden sei und die Haare ganz verstecke.Das solle in Schule und Kindergarten „nicht vorkommen“. „In der Türkei“, sagt Küçükkaraca, „sind Staat und Kirche schon seit 80 Jahren getrennt“.