: Neuer Verdächtiger
VON PASCAL BEUCKER
Nachdem die beiden mutmaßlichen Kofferbombenleger Youssef Mohamad E. H. und Dschihad H. gefasst sind, fahnden Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt nun fieberhaft nach möglichen Komplizen und Hintermännern. Bei einem Polizeigroßeinsatz in einem Studentenheim in Konstanz wurde gestern in den frühen Morgenstunden ein weiterer Verdächtiger vorläufig festgenommen.
Über die Identität des am Bodensee Festgenommenen wurde zunächst nichts bekannt. Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, sei der Verhaftete dem persönlichen Umfeld von Youssef Mohamad E. H. zuzurechnen. Gegen ihn werde nun ebenfalls wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, des versuchten Mordes in einer Vielzahl von Fällen und des versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion ermittelt.
Allerdings stehe zurzeit noch nicht fest, „ob und inwieweit“ der Mann tatsächlich in die Anschlagsvorbereitungen auf zwei Regionalzüge nach Koblenz und Hamm eingebunden gewesen sei, erklärte die Bundesanwaltschaft. Ob er dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe vorgeführt werden wird, werde sich erst im Laufe des heutigen Tages entscheiden, hieß es in Karlsruhe.
Unterdessen hat in Beirut die Vernehmung von Dschihad H. begonnen. An ihr nehmen auch ein Bundesanwalt und BKA-Beamte teil. Außerdem wurde ein Angehöriger von Youssef Mohamad E. H. von der libanesischen Polizei als Zeuge vernommen. Bundeskriminalamtspräsident Jörg Ziercke zeigte sich zuversichtlich, dass besonders die Befragung des 20-jährigen Dschihad H., der sich am Donnerstag in der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli gestellt hatte, schnell weitere Informationen ans Licht bringen werde.
Nach Zierckes Worten gehen die Behörden weiter davon aus, dass sich um die beiden Hauptverdächtigen eine terroristische Zelle in der Bundesrepublik gebildet habe. Dass man insgesamt sieben Personen im Visier habe, könne er jedoch so nicht bestätigen.
Fest steht aber, dass sich die Ermittler weiter besonders für jenen Mann interessieren, der durch seine schriftliche Einladung Dschihad H. die Einreise in die Bundesrepublik ermöglicht hatte. Der 45-jährige Autohändler Farouk El-Hajj beteuert, das sei nur ein harmloser Freundschaftsdienst für einen Bekannten, den in Essen lebenden arbeitslosen Onkel von H. gewesen.
Am Dienstag ist El-Hajj vorläufig festgenommen, doch kurz darauf wieder freigelassen worden. Unter Beobachtung steht er jedoch weiter. Denn wie es aus Ermittlerkreisen heißt, hatte der deutsche Staatsbürger libanesischer Herkunft nicht nur Kontakt zu dem mutmaßlichen Kofferbombenleger, sondern auch bereits zu dem 2005 als Kopf einer deutschen Zelle der islamistischen Terrorgruppe al-Tawhid zu acht Jahren Haft verurteilten Mohamed Abu Dhess.
El-Hajj soll ihm Anfang der 90er-Jahre Unterschlupf gewährt und auch bei der Wohnungssuche geholfen haben. Außerdem, so heißt es, bestünde möglicherweise eine Verbindung von dem schwerbehinderten Autohändler zur Hisbollah.
El-Hajj, der – als Einzelkandidat gewählt – seit 1999 als ordentliches Mitglied im Essener Integrationsbeirat sitzt und auch als sachkundiger Einwohner dem Ausschuss für Zuwanderung und Integration des Rates der Stadt Essen angehört, betont indes, er sei „nicht radikal, und ich bin gegen Fundamentalismus“.
Auch der Integrationsbeirat gab ihm gestern Rückendeckung und warnte vor einer Vorverurteilung: „Wer nicht verurteilt ist und somit unschuldig, wird nicht ausgeschlossen“, sagte der Beiratsvorsitzende Muhammet Balaban. Gegenüber der taz beschrieb Balaban El-Hajj als recht isoliert, sehr schweigsam und zurückhaltend, aber gleichwohl kollegial: „Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen.“