„Splitterbombe“ in der Torstraße

Das Video: „Die Krise heißt Kapitalismus“-Demonstration im Juni 2010. Der Tross zieht über die Torstraße. Plötzlich, ein Blitz, eine weiße Qualmwolke, ein gewaltiger, dumpfer Knall. Demonstranten und Polizisten stieben auseinander, ein Beamter humpelt davon. Medien sprechen danach von einer „Splitterbomben-Attacke“.

Die Konsequenzen: Noch auf der Demonstration nehmen Zivilpolizisten drei Verdächtige fest, die sich nach dem Vorfall „auffällig verhalten“ hätten. Gegen das Trio wird wegen versuchten Mordes ermittelt. Laut Staatsanwaltschaftssprecher Martin Steltner habe ein Gerichtsmediziner den Sprengsatz als „abstrakt lebensgefährlich“ bezeichnet. Zwei Beamte seien durch Teile der explodierten Ummantelung „erheblich“ an den Beinen verletzt worden. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) erklärt, es habe sich bei dem Sprengsatz um Pyrotechnik für Berufsfeuerwerker gehandelt.

Die Lektion: „Der Vorfall und das anschließend kursierende Video haben alle unsere Demoinhalte überlagert“, ärgert sich Veranstalter Michael Prütz. Gleichzeitig sei mit „der Bombe“ die gesamte Demo kriminalisiert worden. Generell wolle er das Filmen aber nicht verdammen, so Prütz. „Das hat sich doch längst etabliert, also sollte man es nicht nur der Polizei überlassen.“ Auch Rechtsanwalt Sven Lindemann schimpft über die „politisch motivierte Stimmungsmache“ in dem Fall. Mit dem Vorwurf des versuchten Mordes würde diese nun fortgesetzt. Lindemann vertritt einen der Verdächtigen. „Nach dem jetzigen Stand ist der Fall einstellungsreif, die Aussagen reichen nicht für einen Tatverdacht.“ Der Anwalt ruft Zeugen auf, ihm Aufnahmen von dem Vorfalls zu schicken. „Ich bin gegen unkontrolliertes Filmen auf Demos, aber es wäre fahrlässig, vorhandenes Material nicht zur Entlastung meines Mandanten zu nutzen.“ KO