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Archiv-Artikel

Faustschläge von der Polizei

Von KO

Das Video: Die „Freiheit statt Angst“-Demo, September 2009. Ein Mann in blauem T-Shirt fragt einen Polizisten nach dessen Dienstnummer. Ein Beamter schickt ihn weg. Der „Mann in Blau“ nimmt sein Fahrrad und geht. Plötzlich zerrt ihn ein Polizist zurück, ein zweiter schlägt ihm mehrmals die Faust ins Gesicht. Der Mann fällt zu Boden, Polizisten schleifen ihn fort.

Die Konsequenzen: Dem „Mann in Blau“ werden bei dem Übergriff Ober- und Unterlippe vom Kiefer abgerissen. Er stellt Anzeige wegen Körperverletzung im Amt. Die zwei beschuldigten Polizisten werden in den Innendienst versetzt. Sie stellen Gegenanzeige: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Dieses Verfahren wird im Juni 2010 eingestellt. Es habe keine Hinweise auf aktiven Widerstand gegeben, so die Staatsanwaltschaft, der Faustschlag sei „keine rechtmäßige Diensthandlung“ gewesen. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Martin Steltner. Auf der Demo am Samstag will eine Gruppe gegen den Vorfall demonstrieren – in blauen T-Shirts.

Die Lektion: „Empörend“ findet Johannes Eisenberg, Anwalt des Opfers, die Untätigkeit der Ermittler. Der Fall sei seit November 2009 „ausermittelt“, auch durch eine von ihm angefertigte Synchronisierung aller Videos. „Die Bilder haben das Lügenkartell der Polizei durchbrochen“, so Eisenberg. Es gebe keinen Zweifel am Vorwurf gegen die Polizisten. Stattdessen sei sein Mandant als angeblicher Straftäter öffentlich gedemütigt worden. Eisenberg hat deshalb auch Anzeige gegen den Polizeipräsidenten gestellt – bis heute ohne Antwort oder Entschuldigung.

Für Michael Plöse vom Arbeitskreis Kritische Juristen der HU hatte das „Mann in Blau“-Video einen „heilsamen Effekt“: „Weil es auch dem letzten BZ-Leser das strukturelle Problem der Polizeigewalt anschaulich gemacht hat.“ Somit sei das Zurückfilmen eine Form der Gegenöffentlichkeit. Allerdings: Werden Videos von Übergriffen hochgeladen, sollten Mitprotestierer darauf anonymisiert werden, so Plöse. „Keiner sollte von Demos abgehalten werden, nur weil sein Chef ihn auf irgendeinem Video sehen könnte.“ KO