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Archiv-Artikel

PRESS-SCHLAG Kaum Geschiss

KAISERSLAUTERN Der Name Stefan Kuntz steht für den Aufschwung in der Pfalz – einen Aufschwung auf einem äußerst bescheidenen finanziellen Niveau, der aber immerhin in die Bundesliga geführt hat

An Instinkt hat es Kuntz nie gemangelt – nicht als Stürmer, nicht als Manager

Früher liebten sie vor allem die Vergangenheit. Kaiserslautern, dieser mythenschwere Klub mit dem Stadion auf dem Berg mitten in der Stadt, begriff das Erbe Fritz Walters als Verpflichtung für die Zukunft. Das konnte nicht gut gehen, denn Vergangenheit haben sie ja reichlich, und zwar nicht nur die, die mit den Erinnerungen an den Weltmeister von 1954 verbunden ist, sondern auch an eine Meisterschaft unter Kalli Feldkamp und an die bis heute einmalige Saison 1998, als dem Klub als Aufsteiger (!) der Gewinn des Titels unter dem etwas autokratischen Otto Rehhagel gelang.

Die Ambitionen waren danach grenzenlos, sie mussten Kaiserslautern ins Chaos stürzen, denn der sportliche Erfolg war nicht von der Wirtschaftskraft des Klubs gedeckt, der sich sogar noch Transfers wie den des Franzosen Youri Djorkaeff und des Nigerianers Taribo West aufbürdete.

Undenkbar wäre solches Geschäftsgebaren heute beim Aufsteiger, der sich unter seinem neuen Anchorman runderneuert hat. Als Vorstandschef arbeitet Stefan Kuntz seit zwei Jahren in Kaiserslautern. Es waren gute Jahre, gemessen an den Möglichkeiten waren sie sogar überragend. Der Vorstandschef ist zugleich Sportdirektor in Personalunion. Ein weites Aufgabenfeld hat er zu bearbeiten, doch Kuntz hat bisher sämtliche Jobs mit einer bemerkenswerter Nonchalance gelöst. Viel Geschiss hat er nie darum gemacht, dabei übernahm er den Klub in einer schwierigen Situation. Selbst der Klassenerhalt in Liga zwei wäre ein Erfolg im ersten Jahr nach seinem Amtsantritt gewesen, was prompt gelang. Kuntz konsolidierte den Klub, und mit ihm vollzog sich eine Wende. Sein Name steht nun für den Aufschwung – einen Aufschwung auf bescheidenem finanziellem Niveau, der aber immerhin zurück in die Bundesliga führte. All das ging schneller, als es die meisten geglaubt hatten, genau genommen ist es eine Sensation. Kaiserslautern galt noch als Mittelklassekandidat in Liga zwei, als Kuntz den Job übernahm.

Nicht nur die Mannschaft, sondern auch das Selbstverständnis hat sich unter Kuntz gewandelt. Kaiserslautern hat seine Ziele neu definiert, nachdem der Kollaps den Verein an den Rand der Existenz gebracht hatte. Alles andere als der Klassenerhalt wäre ein jetzt vermessenes Ziel, ist nun aus Kaiserslautern zu hören, während Teile der Anhängerschaft nach dem Sieg über die Bayern gleich ausrasteten und von der Wiederholung der unerklärlichen Geschehnisse sowie dem Fußballmetaphysiker Rehhagel träumen. So weit wird es ganz sicher nicht kommen, aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass Kaiserslautern auch im nächsten Jahr erstklassig spielt.

Aus einem zusammengeliehenen Team hat Kuntz einen guten Kader zusammengestellt, an Instinkt hat es ihm ja nie gemangelt. Nicht als Mittelstürmer, nicht als Manager. Zuvor hatte er Erfolg in Koblenz, und es gelang ihm, Bochum sportlich zu stabilisieren.

Srdan Lakic, der ehemalige Hertha-Spieler, wurde aus den Weiten des holländischen Flachlandes geholt, er harmoniert zumindest bisher prächtig mit dem Österreicher Erwin Hoffer, der für eine bescheidene Leihgebühr aus Neapel geholt wurde und dessen Schnelligkeit in der Bundesliga noch ein Gegenbeispiel sucht. Und Kuntz gelang es, einen uneitlen, aber profunden Trainer wie Marco Kurz zu verpflichten, der schon bei 1860 München unter äußerst schwierigen Bedingungen gut zurechtkam. In Kaiserslautern hat Kurz nach einem fabelhaften Saisonstart mit 6:0-Punkten erst einmal allen Kredit. Zwar sind die Zeiten des Wunderglaubens vorbei, doch nicht wenigen erscheint Lauterns Wiederkehr wie eine Rückkehr von den Toten. STEFAN OSTERHAUS