: Vorerst Atempause im Kirchenasyl
Die vietnamesische Familie aus Hoya flieht vor Abschiebung in Gemeinderäume. Unterstützer versorgen sie mit Matratzen und Babynahrung. FDP sieht Chancen in Härtefallkommission, die im September zusammentritt
In der Nacht zum heutigen Dienstag kommt das Abschiebekommando. Dabei wissen die Behörden, dass die Familie Nguyen vorerst in Sicherheit ist. Die fünf Flüchtlinge aus Vietnam wohnen seit Freitagabend in einem Nebenraum der Martin-Luther-Kirche in Hoya im Landkreis Nienburg. Die evangelische Gemeinde hatte der Familie Zuflucht gewährt. Laut Bescheid sollten sich die Nguyens ab zwei Uhr früh bereit halten. Aus der geplanten Abschiebung dürfte vorerst nichts werden, weil die Behörden sich an eine Vereinbarung halten, das Kirchenasyl zu achten.
Familienvater Min Tuong lebt seit 14 Jahren in Deutschland. Die Nguyens gelten nicht nur als gut integriert, sie benötigen auch keine staatliche Unterstützung, da beide Eltern bis zuletzt in einer Baumschule arbeiteten. Ein Unterstützerkreis versorgt sie nun mit Lebensmitteln, Matratzen und Babynahrung. Ohne Gepäck waren sie in die Kirche geschlichen, weil sie Angst hatten, als Flüchtige erkannt zu werden. „Sie haben die erste Nacht seit langem wieder ruhig geschlafen“, sagt Pastor Andreas Ruh. Dennoch ist die Situation gespannt. Ein Sprecher des Landkreises Nienburg betonte, die Familie halte sich illegal in Deutschland auf, wenn sie der Ausweisung nicht folge. Die Eltern könnten inhaftiert werden, wenn sie die Kirchenräume verließen. Unklar war gestern, ob die 15-jährige Tochter ohne Repressalien in die Schule gehen kann.
Die evangelische Landesbischöfin Margot Käßmann sagte gestern, sie könne nicht nachvollziehen, warum die Flüchtlinge „brutal aus ihrem Lebensmittelpunkt gerissen und in ein Land abgeschoben werden sollen, das die Kinder überhaupt nicht kennen“. Hoffentlich verschaffe das Kirchenasyl „den Beteiligten eine Atempause“, bis die Härtefallkommission, die Mitte September ihre Arbeit aufnimmt, oder eine Bleiberechtsregelung den Nguyens ein Leben in Deutschland ermöglicht. Das Innenministerium betonte, wegen der terminierten Abschiebung könne sich die Härtefallkommission der Familie nicht annehmen. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, entgegnet Jörg Bode, Innenexperte der Landes-FDP. „Wenn man wirklich will, dass die Härtefallkommission drüberguckt, geht das auch.“ Offenbar wollen FDP und CDU heute im Koalitionsausschuss ein gemeinsames Vorgehen beim Bleiberecht beraten. ksc