Heimkehr in eine ungewisse Zukunft

Fünfzehn Monate nach dem Massaker von Andischan kehren viele Flüchtlinge wieder nach Usbekistan zurück

Viele mussten auf der Flucht Kinder und Ehepartner in Usbekistan zurücklassen

BERLIN taz ■ Sie waren schon im Ausland in Sicherheit – nun kehren sie zurück: Mit einer 747 der Uzbek Airline sind am Freitagabend 41 usbekische Flüchtlinge aus New York in der usbekischen Hauptstadt gelandet. Das usbekische Außenministerium bestätigte gestern auf seiner Webseite, dass ihre Rückkehr von der usbekischen Botschaft in den USA organisiert wurde. Die Flüchtlinge folgen damit 11 ihrer Landsleute, die bereits vor einem Monat heimgekehrt sind. Die Usbeken reisen in das Land zurück, aus dem sie vor einem Jahr unter einem Kugelhagel zunächst nach Kirgistan geflüchtet sind. Am 13. Mai 2005 hatten die Sicherheitskräfte einen Volksaufstand in der Provinzstadt Andischan wahllos zusammengeschossen.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zeigt sich überrascht von der Repatriierung. „Es ist der freie Wille eines jeden zurückzukehren“, sagt Helen Caux vom UNHCR in Genf, dies sei nicht mehr die Angelegenheit der Organisation.

Noch im Sommer 2005 hat das UNHCR die Evakuierung von 439 Usbeken aus der südkirgisischen Stadt Dschalalabad nach Rumänien mit allen diplomatischen Finessen gegen den Willen der usbekischen Regierung betrieben. Von dem Auffanglager in Rumänien aus reisten die Usbeken in aufnahmebereite Staaten wie USA, Niederlande, Schweden sowie Deutschland und der Schweiz weiter.

Seit einigen Monaten ist unter den weltweit verstreuten Flüchtlingen aus der usbekischen Provinzstadt ein wachsender Rückkehrwille zu spüren. Viele von ihnen mussten auf der Flucht engste Verwandte wie Kinder und Ehepartner in Usbekistan zurückgelassen, andere haben Söhne, Brüder und Väter in usbekischen Gefängnissen.

In einem offen Brief an Präsident Islam Karimow bittet ein in Deutschland lebender Usbeke, durch Arbeit für das Land seine Unschuld beweisen zu dürfen. Zudem gibt es einen obskuren Aufruf des seit Jahren in Usbekistan inhaftierten religiösen Führers Akram Juldaschew, der seine Anhänger zur Rückkehr drängt. Nach Aussagen eines Diplomaten in Taschkent habe Juldaschew eine Vereinbarung mit dem usbekischen Präsidenten Islam Karimow getroffen, der ein Generalpardon gegen Rückreise vorsieht. Der im Gefängnis sitzende Religionslehrer aus Andischan und dessen Anhänger, die so genannten Akramisten, werden von der Regierung beschuldigt, islamistische Terroristen zu sein, die angeblich am 13. Mai vergangenen Jahres einen Staatsstreich geplant hätten.

Zusätzlich zum Aufruf aus der usbekischen Gefängniszelle drängen die usbekischen Behörden die Flüchtlinge über die in Usbekistan verbliebenden Verwandten zur Heimkehr. Das usbekische Staatsfernsehen schlachtete die Rückkehr der Flüchtlinge weidlich aus. In den usbekischen Nachrichten beschuldigte ein zurückgekehrter Usbeke den Westen, unter falschen Versprechungen in die USA gelockt worden zu sein.

Zeitgleich macht Usbekistan in den zentralasiatischen Nachbarländern unvermindert Jagd auf entkommende Bürger. In der letzten Woche wurden im Süden Kirgistans vier anerkannte Flüchtlinge entführt und nach Usbekistan überführt. Die Mutter und zwei Schwestern eines der Unglücklichen wohnen in Deutschland – Human Rights Watch befürchtet, dass nun auch diese zur „freiwilligen Rückkehr“ gezwungen werden könnten.

MARCUS BENSMANN