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Archiv-Artikel

Milderungsgrund Gehaltsverzicht

MISSBRAUCH Ein niedersächsischer Lehrer, der eine Schülerin missbraucht hat, unterrichtet weiterhin

Ina Korter findet, dass ein Wiederholungstäter erneut im Unterricht eingesetzt werde, sei nicht akzeptabel

Ein niedersächsischer Lehrer, der 2008 wegen Missbrauchs Schutzbefohlener verurteilt wurde, unterrichtet nach wie vor. Das ist nun durch Medienberichte bekannt geworden. Nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung hatte der damals 52-Jährige mehrfach eine 15-Jährige missbraucht, indem er sie unter anderem küsste, streichelte und mit dem Finger in sie eindrang. Das Mädchen war seine Schülerin, zudem war er ihr Trainer in einem Sportverein. Der Mann wurde zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen verurteilt und an eine andere Schule versetzt.

Die schulpolitische Sprecherin der niedersächsischen Grünen, Ina Korter, hat in einer Anfrage an die Landesregierung nach den Gründen für das Verbleiben des Lehrers im Unterricht gefragt. In der Antwort heißt es, dass der freiwillige Antrag auf Rückstufung um zwei Besoldungsgruppen dem Lehrer als „Milderungsgrund“ zugerechnet worden sei. Deshalb habe man „nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens“ auf das „Verfolgen der Maßnahme der Entfernung aus dem Dienst verzichtet“.

Auf Korters Frage, wie künftige Übergriffe des Lehrers vermieden werden sollten, antwortet die Landesregierung, man gehe davon aus, dass die strafrechtliche Sanktion sowie die Rückstufung im Gehalt dazu ausreichten.

Man sei sich darin mit der Staatsanwaltschaft einig – „bei einer anderen Diagnose hätte es zur Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst kommen müssen“. Ina Korter hat nun beantragt, dass der am Freitag tagende Kultusausschuss darüber aufklärt, wie die Behörde mit Fällen dieser Art umgeht. Dass ein Wiederholungstäter erneut im Unterricht eingesetzt wird, hält sie für „nicht akzeptabel“.

In der Behörde verweist man darauf, dass ab diesem Schuljahr Beamte ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen. Daraus gehe hervor, ob der Bewerber bestimmte sexuelle Delikte mit Kindern oder Jugendlichen begangen habe. Im üblichen Führungszeugnis seien nur Delikte verzeichnet, die mit mindestens 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bestraft wurden. Zudem müsse die Landesschulbehörde künftig jeden Missbrauchsfall, in dem sie tätig wird, an das Kultusministerium melden.

Dass die Landesschulbehörde einerseits Fürsorgepflicht für die Lehrer hat, andererseits aber im Missbrauchsfall gegen sie vorgehen muss, ist für die Grünen-Abgeordnete Korter ein grundsätzliches Problem. Sie fordert eine unabhängige Stelle, um in diesen Fällen zu ermitteln, sowie eine Hotline für betroffene Schülerinnen und Schüler. Im Kultusministerium sieht man jedoch für eine solche unabhängige Einrichtung keinen Bedarf: Es gebe eindeutige Regeln für die Disziplinarverfahren, sagt Sprecherin Corinna Fischer. FRIEDERIKE GRÄFF