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Archiv-Artikel

Und ewig reizt der Sarrazin

THEATER Magazin „Cicero“ und Berliner Ensemble suchen erneut Diskussion mit „Tugendterror“-Autor

Thilo Sarrazin, zweiter Versuch: Das Magazin Cicero und das Berliner Ensemble (BE) wollen die abgebrochene Gesprächsrunde mit dem umstrittenen Autor neu ansetzen. „Wir lassen uns von den Störern nicht die Diskussion verbieten“, sagte am Dienstag Sören Schultz, Sprecher des BE. Auch der stellvertretende Chefredakteur des Cicero, Alexander Marguier, will die Veranstaltung auf jeden Fall nachholen. Sarrazin selbst habe ebenfalls seine Bereitschaft dafür bekundet, so Marguier.

Der Autor und ehemalige Berliner Finanzsenator sollte am Sonntag mit Vertretern des Magazins über sein aktuelles Buch „Der neue Tugendterror: Über die Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland“ diskutieren. Darin kritisiert er, dass es bei bestimmten Themen Denk- und Redeverbote gebe. Rund 100 Leute demonstrierten vor dem Theater gegen den Autor und die Veranstaltung. Im Foyer, wo die Gesprächsrunde stattfinden sollte, kam es dann zu verbalen Auseinandersetzungen und Rangeleien. In Videomitschnitten hört man laute „Hau ab“-Rufe gegen Sarrazin. Das Theater brach die Veranstaltung ab.

„Eine bessere Bestätigung, dass seine Meinung unterdrückt wird, hätte man Sarrazin nicht bieten können“, sagte Alexander Marguier. Er selbst sei wahrlich kein Fan des Autors und habe ihn kritisch befragen wollen. „Man kann Sarrazins Popanz nur entzaubern, indem man ernsthaft darüber redet“, so Marguier.

Stöß sorgt für Aufregung

Für Aufregung sorgte nach der Veranstaltung eine Twitter-Nachricht des SPD-Landeschefs Jan Stöß. „Wenn wir ihn schon nicht loswerden: Ausgerechnet das Berliner Ensemble sollte dem nicht auch noch seine Bühne öffnen“, schrieb Stöß in Anspielung auf das gescheiterte SPD-Ausschlussverfahren gegen Sarrazin. Streitgespräche seien in einer Demokratie unerlässlich, konterte Marguier via Cicero online. Und lud Stöß ein, sich an dem Gespräch mit Sarrazin selbst zu beteiligen. Die Piraten wiederum solidarisierten sich mit Stöß.

Noch ist unklar, wann die Veranstaltung nachgeholt wird – und wie eine erneute Eskalation verhindert werden könnte. BE-Intendant Claus Peymann bekräftigte in der Berliner Zeitung, dass er auch für solch heikle Veranstaltungen keinen privaten Sicherheitsdienst beschäftigen werde. Vertreter aus dem Umfeld der Demonstranten wollten sich am Dienstag gegenüber der taz zu den Vorfällen nicht äußern. ANTJE LANG-LENDORFF