: Sarrazin soll weg
SPD I Der Parteivorstand der Sozialdemokraten leitet ein offizielles Ausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin ein. Bis der Rauswurf durch ist, werden aber noch heikle Wochen vergehen
VON GORDON REPINSKI
Als Erstes musste Martin Schulz am Montag im Parteivorstand etwas klarstellen: Zwar stimme die Aussage, mit der er in der Bild-Zeitung vom Montag bezüglich des Parteiausschlussverfahrens gegen Thilo Sarrazin zitiert worden sei, jedoch habe das Blatt ohne Absprache den ersten Satz weggelassen. Und der lautete, betonte Schulz: „Der Ausschluss ist unausweichlich.“ Schulz’ Parteifreunde akzeptierten die Erklärung des Europaabgeordneten.
Vorausgegangen war Unruhe in der SPD, denn die folgenden Sätze aus dem Interview über Störenfried Sarrazin waren weniger eindeutig: „Ein Parteiverfahren gegen ihn ist leider genau das, was sich dieser schamlose Selbstvermarkter wünscht. Wir sollten uns mit den Themen Sarrazins befassen und nicht so sehr mit der Person“, sagte Schulz.
Wieder ein Montag, der vierte in Folge, wieder ging es in der SPD in den Gremien vor allem um den ehemaligen Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin. Diesmal hat der Parteivorstand das Ausschlussverfahren offiziell eingeleitet. Fast einstimmig. Nur DGB-Vorstandsmitglied Dietmar Hexel enthielt sich.
Dass die Partei besonders sensibel auf das Interview von Martin Schulz reagierte, hat einen einfachen Grund: In den vergangenen Tagen war die Kritik an dem Ausschlussverfahren auch aus Reihen der SPD immer lauter geworden – und auch immer näher in Richtung der aktiven Politik gerückt. Zuerst äußerte sich der Hamburger Klaus von Dohnanyi, dann folgten Peer Steinbrück und Peter Struck, schließlich Martin Schulz. An den Exbundesministern Steinbrück und Struck gibt es auch in der Partei Kritik. Gerade Ersterer solle „zuerst das Buch lesen, bevor er sich äußert“, heißt es aus Vorstandskreisen.
Für den Parteivorstand beginnt nun eine Zeit der juristisch präzise gewählten Ausdrucksweise. Denn da formell der gesamte Vorstand Kläger im Verfahren ist, dürfen die über 40 Mitglieder öffentlich nicht mehr über die strittigen Begriffe sprechen. So wird in dem Verfahren etwa darüber entschieden, ob die Äußerungen Sarrazins per Definition als parteischädigend zu bewerten sind.
Vor der Bundes-SPD hatte bereits vorvergangene Woche der Berliner Landesverband den Ausschluss Thilo Sarrazins beantragt. Die endgültige Entscheidung liegt aber bei einem Schiedsgericht der Partei, das für den Prozess maximal sechs Monate Zeit hat. Formell einleiten muss das Verfahren Sarrazins Ortsverein in Berlin-Wilmersdorf. In erster Instanz muss die Kreisschiedskommission entscheiden.
Sarrazin hatte vor gut zwei Wochen in einem Interview auf die Frage, ob es eine genetische Identität gebe, gesagt: „Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden.“ Danach hatte sich SPD-Parteichef Sigmar Gabriel entschieden, ein Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin einzuleiten, da er diesem vorwirft, „nahe an der Rassenhygiene“ zu argumentieren.
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