Viel Qualm um nichts

Fachstelle für Suchtprävention: Trotz Selbstverpflichtung verkauft Tabakindustrie Zigaretten zu nah an Schulen

Bei rund einem Drittel aller Berliner Schulen oder Jugendzentren sind Zigarettenautomaten oder Tabakwerbung in unmittelbarer Nähe zu finden. So lautet das negative Zwischenergebnis der berlinweiten Aktion „Tabakbannmeile“, mit der die Fachstelle für Suchtprävention im Land auf die Versäumnisse der Tabakindustrie aufmerksam machen will. „Die Selbstverpflichtungserklärung der Tabakindustrie ist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurde, wenn sie nicht kontrolliert wird“, kritisierte Fachstellenleiterin Kerstin Jüngling am Dienstag.

Laut Selbstverpflichtungserklärung sollen keine Zigarettenautomaten im Sichtfeld von 50 Metern vom Haupteingang einer Schule oder eines Jugendzentrums aufgestellt werden. Auch ein Tabakwerbeverbot an Haltestellen und auf Straßenplakaten im 100-Meter-Umkreis der Haupteingänge sieht die Erklärung vor, die von der Industrie schon 1993 und 1997 abgegeben wurde. Bereits 2004 hatte eine bundesweite Stichproben-Überprüfung jedoch Verstöße bei über 70 Prozent der Schulen und Einrichtungen ergeben.

In Berlin gab es laut Fachstelle bei 35 Prozent der Jugendzentren Beanstandungen und bei 27 Prozent der Schulen. Rund 150 Schulen und Freizeiteinrichtungen haben sich bis Mitte August an der bis Anfang Oktober laufenden Aktion beteiligt. Die Ergebnisse sollen dem Verband der Cigaretten-Industrie und dem Bundesverband Deutscher Tabakwarengroßhändler zugehen – mit der Aufforderung, genauer auf die Einhaltung der Selbstverpflichtung zu achten.

Laut dem Sozialmediziner Ulrich Keil, der in Münster forscht, ist Deutschland ein „Raucherparadies“. Statt über die Abschaffung von Zigarettenautomaten zu reden, diskutiere man beim Umrüsten der Automaten auf Chipkarten komplizierte Regeln, wie man Jugendliche davon abhalten könne, sich an den Automaten Zigaretten zu ziehen. Etwa ein Drittel des Vertriebs von Glimmstängeln laufe über Automaten. dpa