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Archiv-Artikel

Bekommen die Reichen am meisten?

Die EU will die Bundesregierung zwingen, bekannt zu machen, wer hierzulande welche Subventionen einstreicht

BERLIN taz ■ Die Summen sind groß, der Einblick ist gering: Die Bundesbürger zahlen pro Jahr etwa 9,3 Milliarden Euro der gigantischen EU-Subventionen für die Agrarindustrie – das ist rund ein Fünftel des Gesamttopfes. 6 Milliarden Euro überweist Brüssel wieder nach Berlin zurück. Nur: Wer wie viel davon abbekommt, wird verschwiegen. Damit kein Geld versickert, soll sich das ändern, fordert die EU-Kommission. Bislang sperrt sich die Bundesregierung, heute will sie die künftige Linie festlegen. Anders als Deutschland setzen 13 EU-Staaten bereits auf Transparenz. Das Bild ist immer gleich: Wer hat, dem wird gegeben. Die größten Empfänger von EU-Agrarsubventionen sind nicht die kleinen und mittleren Höfe. Die dicken Batzen streichen Nahrungsmittelfirmen ein.

Wie Weltmarktführer Nestlé: Allein 2005 soll der Schweizer Konzern über Töchter in Dänemark, den Niederlanden, Portugal und Großbritannien 48 Millionen Euro eingestrichen haben. Genauso versorgt die EU den Tabakkonzern Philip Morris, den Airline-Versorger Gate-Gourmet oder den Bierbrauer Heineken. Diese Daten hat Nils Mulvad, Gründer des europaweiten Netzwerks www.farmsubsidy.org, gesammelt. Der Däne hat bei allen EU-Staaten nachgeforscht. Während Dänemark, die Niederlanden oder Schweden „bereitwillig Auskunft gegeben haben“, berichtet er, „kam aus Deutschland ein striktes Nein“.

Derzeit sperrt sich vor allem CSU-Bundeswirtschaftsminister Michael Glos. „Grundsätzlich unterstützen wir Transparenz“, sagt sein Sprecher Hendrik Luchtmeier. „Im Detail gibt es aber noch Abstimmungsbedarf.“ Sein „Detail“ hebelt die Veröffentlichungspflicht nahezu aus. Glos will eine Bagatellgrenze von 2 Millionen Euro pro Jahr festlegen. Unternehmen, die weniger bekommen, sollen nicht genannt werden. Luchtmeier: „Wir wollen keine Bürokratie.“

„Glos will das Gros der Nutznießer weiterhin geheim gehalten“, kritisiert Tanja Dräger de Teran vom WWF. Die Umweltstiftung ist Mitglied von „Wer profitiert? Transparenz bei EU-Agrarsubventionen“. Mit dieser Initiative wollen 32 deutsche Verbände den Druck auf Berlin erhöhen. Dräger sagt: „Setzt die Regierung die Schwelle für eine Veröffentlichung so hoch, werden nur ein paar Topverdiener bekannt.“ Damit ist nun auch Glos’ Parteikollege Bundesagrarminister Horst Seehofer nicht einverstanden. Lange Zeit ist er allen Appellen für „eine neue Offenheit“ ausgewichen. Mal fürchtete er „Neiddebatten“, dann „Datenschutzprobleme“. Gestern war davon keine Rede mehr.

Seehofer-Sprecher Stefan Taxis sagte der taz: „Wir wollen volle Transparenz.“ Schon eine Fördersumme „ab 1 Euro wird offengelegt“. Auch das Finanzministerium sieht für hohe Schwellenwerte „keine Begründung“, so eine Sprecherin. Zwei zu eins gegen Blockierer Glos. Bis zum 20. September müssen sich die Minister einigen. Dann stimmt die Regierung in Brüssel über die „Transparenzinitiative“ der EU ab. HANNA GERSMANN