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Archiv-Artikel

Winke, winke

ABSCHIEBUNG Ein Comic erklärt Flüchtlingskindern die Rückkehr in die Herkunftsländer ihrer Familien

„Papa erzählt mir von dem Land, aus dem wir kommen. Dorthin werden wir bald zurückkehren.“ In dem Comic ist eine gut situierte Flüchtlingsfamilie zu sehen, die in ihrer eigenen Wohnung so viele Sachen und Spielzeug hat, dass all das gar nicht in den kleinen roten Kinderrucksack passt. Doch kein Problem, der Rest wird einfach an die deutschen Freunde verschenkt, mit denen man zum Abschied noch einen schönen Ausflug macht.

So harmlos sieht sie also aus, die Realität von Flüchtlingskindern in Deutschland, die in ihre Herkunftsländer zurückkehren müssen. Jedenfalls aus Sicht einer Broschüre des Bayerischen Roten Kreuzes in Nürnberg. In dem Comic, entworfen für das Projekt „Zentrale Rückkehrberatung für Flüchtlinge in Nordbayern“, wird in 25 Sequenzen das ganze Szenario durchgespielt: Verabschiedung der Klassenkameraden, der Weg zum Flughafen, die Ankunft in der neuen, alten „Heimat“, Gefühle der Sehnsucht und das Ankommen bei den Großeltern und neuen Freunden.

Dass die Realität für Flüchtlinge eine andere sei und die „freiwillige Rückkehr“ häufig einer Abschiebung zuvorkomme, sagt Matthias Weinzierl vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Das Bilderbuch hält er deshalb für zynisch. Es werde versucht „eine Normalität vorzugaukeln, die keine ist, und ein unmenschlicher Vorgang wird behandelt wie ein Zahnarztbesuch“. Auch dort gäbe es bunte Bücher, die den Kindern die Angst nehmen sollen.

Die Darstellung könne als verharmlosend betrachtet werden, räumt Ulrike Sing vom BRK Nürnberg ein. Dennoch hält sie das Angebot für richtig. Das Buch werde von SozialarbeiterInnen genutzt, um „mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, mit ihnen über ihre Ängste zu sprechen“.

Doch den Kindern steht mit dem Abschied aus ihrer gewohnten Umgebung das Schlimmste noch bevor. Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer von Pro Asyl weiß, dass der Verlust von Heimat und Freunden von den Kindern als extrem hart wahrgenommen werde und viele nach der Abreise schlicht im Elend landeten. Viele Kinder seien nach ihrem erzwungenen Abschied aus ihrem gewohnten Umfeld regelrecht traumatisiert und hegen über Jahre hinweg die Hoffnung, eines Tages nach Deutschland zurückkehren zu können.

Ein realistischer Comic müsste also eine zur Ausreise gezwungene Familie zeigen, die voller Angst und Ungewissheit in ein verwüstetes Land zurückkehrt – in ein Land, in dem sie noch nicht einmal weiß, wo sie die erste Nacht verbringen soll. Die Großeltern tot, die Schule zerbombt, die politischen Gegner immer noch in mächtigen Positionen. Für Kinder nicht vermittelbar. Doch die Situation schönfärben löst das Problem auch nicht. Vielleicht ist es einfach so unbefriedigend, wie Bernd Mesovic sagt: „Pädagogisch ist eine solche Situation nicht vermittelbar“.

ERIK PETER