: Pleite-Chef sanft ausgeblendet
Der Exmanager von Radio 100,6, Thomas Thimme, wird nach Absprache zwischen Staatsanwalt und Verteidiger zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Journalisten-Union kritisiert das „milde Urteil“
VON JONAS MOOSMÜLLER
Die Verhandlung im Amtsgericht Tiergarten dauerte keine fünf Minuten, dann stand das Urteil für Thomas Thimme fest: Der ehemalige Geschäftsführer von Radio 100,6 wurde wegen Veruntreuung von rund 230.000 Euro und Insolvenzverschleppung zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldbuße von 4.500 Euro verurteilt. Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten sich auf den Strafbefehl geeinigt.
Thimme, der nicht zum Prozess erschienen war, hatte im Jahr 2002 mit Radio 100,6 einen der ältesten Privatsender Berlins übernommen. 1987 hatte der Regisseur Ulrich Schamoni den Sender als wortlastiges Gegengewicht zum seiner Meinung nach linken öffentlichen Rundfunk gegründet. Doch der Sender litt in den letzten Jahren an einer schwindenden Hörerzahl. Thimme scheiterte an der Sanierung und meldete im April 2005 Insolvenz an.
Sein Mandant gebe zu, den Insolvenzantrag verspätet gestellt zu haben, obwohl der Sender bereits Ende 2003 zahlungsunfähig gewesen sei, erklärte Thimmes Anwalt Dieter Graefe. Sein Klient habe aber immer nur versucht, den Sender zu retten. Bei den veruntreuten 230.000 Euro habe es sich um ein Darlehen gehandelt, mit dem Thimme sich und seine Mitarbeiter bezahlt habe.
Silke Leuckfeld, stellvertretende Landesvorsitzende des Journalistenverbands DJU, zweifelt an dieser „interessanten“ Version. „Da würde ich ein großes Fragezeichen dahintersetzen“, sagte die Journalistenvertreterin. Auch ehemalige Mitarbeiter von Radio 100,6 glauben nicht, dass Thimme mit dem Darlehen ihre Gehälter bezahlt hat. Vom „Privatmann Thimme“ seien nie Gehälter bezahlt worden, immer nur von dessen Firmen, erklärte gestern Margit Ehrlich, ehemalige Redakteurin und Betriebsrätin bei 100,6, die zusammen mit 30 Kollegen ihren Job wegen der Insolvenz verloren hatte.
„Mit dem Urteil können die Öffentlichkeit und der Angeklagte gut leben“, kommentiert Thimmes Anwalt die Entscheidung des Gerichts. „Das Strafmaß steht in keinem Verhältnis zu dem, was vorgefallen ist“, meint dagegen die DJU-Vertreterin Leuckfeld. Für eine verschleppte Insolvenz hätte Thimme auch fünf Jahre Haft bekommen können.
Radio 100,6 ist nicht der erste Sender, der unter Thimmes Leitung pleiteging. In der Anfangszeit des Berliner Privatradios war Thimme Geschäftsführer des linksalternativen Radio 100, das sich die Frequenz mit dem konservativen Radio 100,6 teilte.
Pikanterweise erklärte Thimme Radio 100 genau zu dem Zeitpunkt für zahlungsunfähig, als sich der französische Radiokonzern NRJ für den Berliner Radiomarkt interessierte. Nur kurze Zeit später hatte Thimme der NRJ eine Frequenz besorgt und wurde zwischenzeitlich bei Energy Geschäftsführer des ersten kommerziellen Berliner Radios.
Vom Berliner Radiomarkt muss sich der 56-jährige Thimme wohl erst mal verabschieden. Mit seiner neuen Firma Power Radio GmbH hatte er sich noch zu Beginn des Jahres erneut für die Frequenz 100,6 beworben, von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg jedoch eine Abfuhr erhalten. Auf der ersten privaten Radiowelle sendet heute Motor FM in Zusammenarbeit mit der Netzeitung.