DIE DREI FRAGEZEICHEN
: „Wir sind eigentlich Hacker“

??? Was bei der Haushaltsdebatte im Bundestag verhandelt wird, begreift kaum ein Laie. Die Seite offenerhaushalt.de hat in bunten Grafiken aufgearbeitet, wie viel Bundesmittel wofür ausgegeben werden. Was bringt das?

„Das ist eine neue Methode von investigativem Journalismus, die auf Komplexitätsbewältigung setzt“

taz: Herr Lindenberg, auf offenerhaushalt.de kann man sich übersichtlich informieren, wie viel Haushaltsmittel wofür ausgegeben werden. Was soll das bringen?

Friedrich Lindenberg: Wir visualisieren die Größenverhältnisse der Aufgabenposten von Ministerien und anderen Verwaltungseinheiten. Die Idee ist: Wir wollen Transparenz schaffen darüber, wie sich dieser Haushalt zusammensetzt, was da die großen Posten sind und was die kleinen. Das soll dann als Fundament für eine faktenbasierte Diskussion über Haushaltsausgaben dienen und gleichzeitig normalen Bürgern einen besseren Einblick geben, wie dieses hochkomplizierte Feld intern funktioniert. Wir von Tactical Tools, die hinter dieser Seite stehen, sind keine Haushaltsexperten. Wir sind eigentlich Hacker, wenn man so will, die sich mit „open data“ auseinandersetzen, also der Idee, dass Regierungsdaten frei verfügbar sein sollten, damit eben solche Analyseanwendungen zustande kommen können. Wir haben den Haushalt als eines unserer ersten Projekte gewählt, weil wir glauben, dass dort gerade in Deutschland viele spannende Diskussionen stattfinden und vielleicht auch viele nicht stattfinden.

Über Datenvisualisierung, Datenjournalismus wird ja aktuell sehr viel gesprochen. Warum ist das denn aus Ihrer Sicht so ein großes Ding?

Ich glaube, das ist eine neue Methode von investigativem Journalismus, die ganz gezielt auf Komplexitätsbewältigung absetzt. Die sagt: Okay, wir leben in einer Gesellschaft, in der man viele Probleme – lass es die Finanzkrise sein oder eben den Bundeshaushalt – nur noch dann wirklich greifen kann, wenn man sie radikal quantitativ analysiert und dann ein bisschen runterbricht. Und die andere Seite ist, dass wir durch die Daten, die wir gewinnen, auch neue Möglichkeiten zur Partizipation schaffen wollen. Sei es durch eine Diskussion oder sei es durch irgendwelche Beteiligungsangebote, die die Leute dazu einladen, die richtigen Fragen zu stellen.

Und was war der Datensatz, die Erkenntnis, die Sie beim Erstellen der Visualisierung am meisten überrascht hat?

Das Problem ist ein wenig, dass dieser Haushalt eigentlich ein ziemlich inhaltsarmes Dokument ist. Die einzelnen Punkte darin sind nur relativ rudimentär umrissen. Das heißt, man weiß eigentlich gar nicht, was genau darin steckt. Die Überraschungen kommen, glaube ich, dann, wenn sich Leute – seien es Journalisten oder einfach Bürger – damit auseinandersetzen, was hinter diesen Punkten steckt. Ich persönlich fand es auch sehr eindrücklich, diese ganzen Sozialausgaben einmal aufgeschlüsselt zu sehen. Und auf der anderen Seite ist natürlich das Verteidigungsbudget interessant. Man surft da durch und entdeckt Debatten wieder, von denen man in der Zeitung gelesen hat. Sei es der Airbus A400 oder seien es die unterschiedlichen Formen von Hartz IV.

INTERVIEW: MEIKE LAAFF

■ Friedrich Lindenberg, 25, ist Softwareentwickler für Open Data. Er arbeitet unter anderem für die Open Knowledge Foundation