THOMAS WINKLER ÜBER OLYMPIA 2018 IN MÜNCHEN UND GARMISCH
: Keine Bauernopfer

Das leere Versprechen der Moderne wird ausgerechnet zwischen Laptop und Lederhose entlarvt

Man muss kein Weltklassewahrsager sein, um zu prophezeien: Die Olympischen Winterspiele 2018 werden nicht in München stattfinden. Zu groß der Widerstand der Bauern in Garmisch-Partenkirchen, die ihre Flächen für die alpinen Wettbewerbe zur Verfügung stellen sollen; zu groß die ökologischen Bedenken, zu gering der Rückhalt für die Bewerbung in Bevölkerung und Politik. Und selbst wenn die gebeutelte Bewerbergesellschaft bis zur Entscheidung im Juli 2011 durchhalten sollte: zu groß die Konkurrenz, vor allem aus Südkorea.

Doch auf den Wiesen von Garmisch wird Grundsätzlicheres verhandelt als nur der Veranstaltungsort eines Sportereignisses: Die renitenten Bauern weigern sich zu glauben, dass Großprojekte tatsächlich dem Fortschritt der Allgemeinheit dienen und nicht nur einer kleinen Klientel, die an ihnen gut verdient. Das Versprechen der Moderne wird ausgerechnet zwischen Laptop und Lederhose als ein leeres entlarvt. Die Bauern fordern Nachhaltigkeit. Sie misstrauen den Versprechungen der Olympia-Organisatoren, dass ökologische Spiele möglich seien und sie ihr Land unbeschadet zurückerhalten würden. Sie handeln aus dem gleichen konservativen Impuls wie die Gegner von Stuttgart 21. Nur dass dieser neue Konservatismus nicht mehr entlang von Parteigrenzen verläuft, sondern sich allein an der ursächlichen Wortbedeutung, dem Bewahren, orientiert.

Dass dieser Impuls sich ausgerechnet in zwei der reichsten Regionen der Welt, im beschaulichen Ländle und im gemütlichen Oberbayern, manifestiert, beweist nur, dass eine gewisse Saturiertheit ganz hilfreich ist, um nicht mehr auf die Heilsversprechen aus Politik und Sport hereinzufallen. Eine Autobahn als wirtschaftlicher Motor einer ganzen Region, eine Fußball-Weltmeisterschaft als Katalysator für einen Kontinent, Jobs schaffen durch Beton und den Weltfrieden durch Sport: Daran mag man in Mecklenburg-Vorpommern oder Afrika noch glauben – aber wie lange noch?

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