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Archiv-Artikel

Antiestablishment

KONSERVATIVER ERFOLG Obama und den Demokraten schlägt der Frust der Unzufriedenen entgegen

BERLIN taz | Nevada, Colorado, Florida, Kentucky, Alaska, jetzt New York und Delaware: Der Tea Party gelingt es immer häufiger, bei den Vorwahlen ihre Kandidaten durchzusetzen. Prägend ist dabei eine Antiregierungshaltung, die zu den Grundströmungen US-amerikanischer Politik gehört. Gerade deshalb aber ist sie von kohärenter Philosophie weit entfernt. Der Kongress – und wenn US-Amerikaner „Washington“ anklagen, meinen sie meist den Kongress – ist seit je unbeliebt. Er gilt, nicht einmal ganz zu Unrecht, als Hort von Intrigen und parteipolitischen Spielchen und nicht als effizientes Organ der Volksvertretung.

Dazu kommt eine zweite Idee, die insbesondere bei den Republikanern zum Kanon der Grundüberzeugungen gehört: Steuern erheben ist eine Schweinerei, Steuern senken immer richtig.

In Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten sind diese beiden Grundstimmungen für jeden ausnutzbar, der Unzufriedenheit kanalisieren will. Ronald Reagan gewann 1980 gegen einen unpopulär gewordenen Jimmy Carter mit der Ankündigung einer 30-prozentigen Steuersenkung für die Reichen. Bill Clinton schaffte es 1992, Präsident George Bush senior für die Wirtschaftsmisere verantwortlich zu machen, und George W. Bush gewann im Jahr 2000 gegen Vizepräsident Al Gore, indem er sich als Washington-Outsider für Steuersenkungen präsentierte. Alle drei waren zuvor erfolgreiche Gouverneure – die ideale Startposition eines jeden Antiestablishmentkandidaten, um mit dem Image des geerdeten, unkonventionellen Machers aus dem wirklichen Amerika das Sündenbabel Washington in Ordnung zu bringen.

Auch Barack Obamas Wahlkampf 2008 baute auf dem gleichen Fundament: Seine Reden gegen „Washington“ waren schon im Vorwahlkampf Legende, und er war frisch genug Senator, um nicht mit verantwortlich gemacht zu werden. Jetzt bekommen Obama und seine Demokraten der gesammelten Gegenwind einer unzufriedenen Nation entgegengeblasen – und erneut zeigt sich, wie leer die Formeln sind, mit denen die Wahlkämpfer operieren. Offenbar kann jede Regierung mit den gleichen Slogans geschlagen werden, die sie selbst an die Macht gebracht haben.

BERND PICKERT