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Archiv-Artikel

BA-Chef sieht Wende am Arbeitsmarkt

Die Ämter zählen 426.000 Arbeitslose weniger als im vergangenen August. „Jawohl, es ist eine gute Konjunktur“, versichert der Chef der Bundesagentur für Arbeit. Höchste Zeit für neue Reformen, findet Müntefering: „Jetzt muss Druck in den Kessel“

NÜRNBERG rtr/dpa ■ Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im August erneut leicht gesunken. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurden 4,372 Millionen Menschen ohne Job gezählt, das waren 14.000 weniger als im Juli und 426.000 weniger als im August vorigen Jahres. Die Arbeitslosenquote lag bei 10,5 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 11,6 Prozent gelegen.

„Die konjunkturelle Entwicklung sorgt für Rückenwind auf dem Arbeitsmarkt“, sagte BA-Chef Frank-Jürgen Weise gestern in Nürnberg. Er verwies darauf, dass inzwischen auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wieder steige.

Unter Herausrechnung der jahreszeitlichen Schwankungen stieg die Arbeitslosenzahl zwar leicht um 5.000. Weise erklärte dies aber damit, dass sich der für Juli übliche Anstieg durch den späten Ferienbeginn in einigen Bundesländern zum Teil in den August verlagert habe. Insgesamt setze sich „die seit einem Jahr positive Entwicklung bei den Arbeitslosenzahlen fort“.

Weise sagte, dass inzwischen auch wieder Arbeitsplätze geschaffen würden. Im Juni gab es nach BA-Berechnungen 26,31 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte – 129.000 mehr als im Juni 2005. Die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt stieg im Juli nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 17.000 auf 39,08 Millionen. Im August seien den Arbeitsagenturen rund 619.000 Stellen gemeldet worden – 154.000 mehr als vor einem Jahr. Fast ein Drittel seien allerdings staatlich oder kommunal geförderte Jobs, die meisten davon so genannte Ein-Euro-Jobs gewesen. Freie Stellen gebe es vor allem bei industrienahen Dienstleistern, dem Verlags- und Nachrichtenwesen und in den Gesundheitsberufen.

„Die Arbeitslosigkeit geht zurück, Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung steigen, und die Zahl der offenen Stellen ist hoch“, sagte Weise und sprach von einer Trendwende: „Wenn drei wichtige Indikatoren in eine positive Richtung zeigen, dann ist das statistisch gesehen eine Trendwende. Jawohl, es ist eine gute Konjunktur, die sich jetzt im zweiten Halbjahr zeigt.“

Der Rückgang der Arbeitslosenzahl fiel allerdings etwas schwächer aus als für die Jahreszeit üblich. Im Schnitt der vergangenen drei Jahre war sie von Juli auf August um 30.000 gesunken. Allerdings war dieses Jahr die Arbeitslosigkeit im Juli anders als zuvor nicht gestiegen.

Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) kündigte an, er wolle den positiven Trend am Arbeitsmarkt durch ein Konjunkturprogramm verstärken: „Jetzt muss Druck in den Kessel.“ Unter anderem werde die Bundesregierung im Herbst eine „grundlegende, vernünftige Neuorganisation des Niedriglohnsektors“ vorbereiten. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wertete die Lage als Verdienst der Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel. Diese habe „den Nährboden für die gute Entwicklung“ geliefert. Der DGB forderte die Regierung auf, das „zarte Konjunkturpflänzchen“ nicht durch die für 2007 geplante Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent zu zertreten.